Kitabı oku: «Europäische Urbanisierung (1000-2000)», sayfa 6
1 Carlo M. Cipolla: Before the Industrial Revolution. European Society and Economy, 1000–1700, London 32005, S. 2–3.
2 Vgl. Hans-Werner Goetz: Leben im Mittelalter: vom 7. bis zum 13. Jahrhundert, München 5. Auflage 1994, S. 20–21; Gerrit Deutschländer: Bevölkerungsentwicklung im Mittelalter, in: Matthias Meinhardt (Hrsg.): Mittelalter, München 2009, S. 17; Peter Clark: European Cities and Towns, 400–2000, Oxford 2009, S. 32; Michael North: Europa expandiert. 1200–1500, Stuttgart 2007, S. 18–22.
3 Vgl. Ian C. Simmons: An Environmental History of Great Britain, Edinburgh 2001, S. 70; Rüdiger Glaser: Klimageschichte Mitteleuropas. 1200 Jahre Wetter, Klima, Katastrophen, Darmstadt 2. Erweiterte Auflage 2008, S. 59–60.
4 Vgl. James, A. Galloway: Driven by Drink? Ale Consumption and the Agrarian Economy of the London Region, c. 1300–1400, in: Martha Carlin/Joel T. Rosenthal (Hrsg.): Food and Eating in Medieval Europe, Cambridge 1998, S. 88; Werner Rösener: Bauern im Mittelalter, München 4. Auflage 1991, S. 112.
5 Vgl. Henning, Vorindustrielles Deutschland, S. 53–54.
6 Vgl. Max Weber: Die Stadt. in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 47 (1921), S. 621–772. Aus der umfangreichen Sekundärliteratur dazu vgl. Hinnerk Bruhns/Wilfried Nippel (Hrsg.): Max Weber und die Stadt im Kulturvergleich, Göttingen 2000; Otto Gerhard Oexle: Max Weber und die okzidentale Stadt, in: Erich Schmidt (Hrsg.): Stadt – Gemeinde – Genossenschaft: Festschrift für Gerhard Dilcher zum 70. Geburtstag, Berlin 2003, S. 375–388; Christian Meier (Hrsg.): Die okzidentale Stadt nach Max Weber: zum Problem der Zugehörigkeit in Antike und Mittelalter, München 1994 [=Historische Zeitschrift, Beiheft 17].
7 Vgl. Hans-Werner Goetz: Kirchenreform und Investiturstreit: 910–1122, Stuttgart (2. Aufl.) 2008, bes. S. 67–118.
8 Vgl. Schmieder, Stadt, S. 57.
9 Bernd Schneidmüller: Die Staufer und Italien – oder: drei europäische Innovationsregionen. Ein Schlusswort, in: Ders./Stefan Weinfurter/Alfried Wieczorek (Hrsg.): Verwandlungen des Stauferreichs. Drei Innovationsregionen im mittelalterlichen Europa, Darmstadt 2010, S. 478–486, hier S. 481; vgl. auch Schmieder, Stadt, S. 60.
10 Vgl. Goetz, Kirchenreform, S. 119–184.
11 Vgl. Schmieder, Stadt, S. 47 u. 75.
12 Lamperti monachi Hersfeldensis Opera. Ed. Oswald Holder-Egger, Hannover 1894 (MGS Scriptores rerum Germanicarum in us. Schol. Editum. 38), S. 169, zit. nach Schmieder, Stadt, S. 69–70.
13 Vgl. Schmieder, Stadt, S. 70–71.
14 Schmieder, Stadt, 77 u. 78.
15 Franz Irsigler: Über Stadtentwicklung. Beobachtungen am Beispiel von Andres, in: Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 11 (1983), S. 7–19, hier S. 9.
16 Vgl. Schneidmüller, Staufer, S. 481–482.
17 Bischof Otto von Freising und Rahewin: Die Taten Friedrichs, S. 308 f, zit. nach Schulz, Urbanisierung Mitteleuropas, S. 158.
18 Schulz, Urbanisierung Mitteleuropas, S. 163.
19 Hirschmann, Stadt, S. 11.
20 Vgl. Hirschmann, Stadt, S. 32–35.
21 Heinz Stoob: Stadtformen und städtisches Leben im späten Mittelalter, in: Ders. (Hrsg.): Die Stadt. Gestalt und Wandel bis zum industriellen Zeitalter, Köln [u. a.] 1985, S. 151–190, hier S. 151.
22 Vgl. Untermann, Matthias: Archäologie in der Stadt. Zum Dialog der Mittelalterarchäologie mit der südwestdeutschen Stadtgeschichtsforschung. In: Bernhard Kirchgässner/Hans-Peter Becht (Hrsg.): Stadt und Archäologie. Stuttgart 2000, S. 9–44, hier S. 28–32; vgl. auch Hans Schadek/Matthias Untermann: Gründung und Ausbau. Freiburg unter den Herzogen von Zähringen, in: Heiko Haumann/Ders. (Hrsg.): Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau, Bd. 1, Stuttgart 1996, S. 57–119, hier S. 59–62.
23 Rekonstruiertes Freiburger Recht von 1120, zit. nach Schmieder, Stadt, S. 84 f.
24 Vgl. Schmieder, Stadt, S. 84.
25 Vgl. Schmieder, Stadt, S. 85–86; Jan Gerchow/Hans Schadek: Stadtherr und Kommune. Die Stadt unter den Grafen von Freiburg, in: Heiko Haumann/Ders. (Hrsg.): Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau, Bd. 1, Stuttgart 1996, S. 133–205.
26 Vgl. Hirschmann, Stadt, S. 12–14; Boockmann, Stadt, S. 29.
27 Vgl. Rodekamp, Leipzig, S. 54.
28 Vgl. Volker Rodekamp (Hrsg.): Leipzig original. Bd. 1: Stadtgeschichte vom Mittelalter bis zur Völkerschlacht, Altenburg 2006, S. 50–63; Otto Künnemann/Martina Güldemann: Geschichte der Stadt Leipzig, Gudensberg-Gleichen 2. Aufl. 2004, S. 5–21.
29 Vgl. Künnemann/Güldemann, Leipzig, S.16–17.
30 Vgl. Clark, European Cities, S. 34.
31 Vgl. Paul Hohenberg/Lynn H. Lees: The Making of Urban Europe. 1000–1994, Cambridge, MA./London (2. rev. Auflage) 1995, Ch. 2 „Systems of early cities“, S. 47–73.
32 Vgl. Herbert Hassinger: Zur Verkehrsgeschichte der Alpenpässe in der vorindustriellen Zeit, in: VSWG 66 (1979), S. 441–465, hier S. 444–447.
33 Vgl. Nicholas, Urban Europe, S. 13; North, Europa, S. 63; Clark, European Cities, S. 48.
34 Vgl. zu Brügge Girouard, Stadt, S. 85–100; Wim Blockmans: Brügge als europäisches Handelszentrum, in: Valentin Vermeersch (Hrsg.): Brügge und Europa, Antwerpen 1992, S. 41–56; Marc Ryckaert: Brügge als europäischer Hafen, in: Vermeersch, Valentin (Hrsg.): Brügge und Europa, Antwerpen 1992, S. 27–40.
35 Zum Wassersystem Brügges vgl. Girouard, Stadt, S. 90–91; Hubert de Witte: Some Notes on the Infrastructure of Brugge, with the Emphasis on the Water Supply, in: Manfred Gläser (Hrsg.): Lübecker Kolloquium zur Stadtarchäologie im Hanseraum, Bd. IV: Die Infrastruktur, Lübeck 2004, S. 107–115.
36 Vgl. Walter Christaller: Die zentralen Orte in Süddeutschland, Jena 1933.
37 Vgl. Zur aktuellen Bedeutung des Modells Jürgen Holtzan: dtv-Atlas zur Stadt. Von den ersten Gründungen bis zur modernen Stadtplanung, München 1994, S. 58–59; Kersten Krüger: Kreis und Sechseck – die Modelle räumlicher Ordnung von Johann Heinrich von Thünen und Walther Christaller im Vergleich, in: Das Thünensche Erbe im Spannungsfeld zwischen Globalisierung und Regionalisierung, Tellow 2008, S.77–89; Heineberg, Stadtgeographie, S. 90.
38 Vgl. zur Kritik an Christallers Modell Hohenberg/Lees, Making, S. 58–59.
39 Vgl. Hohenberg/Lees, Making, S. 59–73.
40 Vgl. Hohenberg/Lees, Making, S. 64; Clark, European Cities, S. 47–48.
41 Vgl. Arne Karsten: Geschichte Venedigs, München 2012, bes. S. 28–29; Hohenberg/Lees, Making, S. 66–69; Girouard, Stadt, S. 100–112.
42 Vgl. Hohenberg/Lees, Making, S. 67; Karsten, Geschichte, S. 38–42.
43 Vgl. Hohenberg/Lees, Making, S. 67–69; Girouard, Stadt, S. 101.
44 Vgl. Karsten, Geschichte, S. 40–45.
45 Hohenberg/Lees, Making, S. 70.: „Das Herz des Systems bildete eine ‚Internationale von Städten‘, die jeweils nachdrücklich autonom und mehr mit der großen weiten Welt als mit dem eigenen ‚Hinterhof‘ befasst waren. Die Kultur einer einzelnen solchen Stadt neigt, ebenso wie ihre Bevölkerung und ihre Handelsstruktur dazu, kosmopolitan und vielschichtig zu sein.“ (Übersetzung D. S.)
46 Vgl. Hohenberg/Lees, Making, S. 69–73.
4 Stadt-Umland-Hinterland: Die Versorgungskreise der mittelalterlichen Stadt
4.1 Das Umland ernährt die Stadt, aber wo ist das Umland?
Wachstum und Bestand einer mittelalterlichen Stadt standen in unmittelbarem Zusammenhang mit den Möglichkeiten, den Aufwand an Transportenergie für die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen zu minimieren und die Nutzung der vorhandenen Energiequellen zu optimieren.1
Mit dieser thesenhaften Zuspitzung bringt Franz Irsigler die Bedeutung gesicherter Nahrungs- und Rohstoffversorgung aus dem Umland einer Stadt sowie die dafür zentrale Rolle des Transports auf den Punkt. Das Umland einer Stadt war von entscheidender Bedeutung für die Fähigkeit einer Stadt, sich mit den für den gesellschaftlichen Stoffwechsel entscheidenden inputs zu versorgen, also insbesondere mit Nahrungsmitteln, Wasser und Energie. Im Folgenden soll nun zunächst die bis heute wichtige Standorttheorie landwirtschaftlicher Produktion von Johann Heinrich von Thünen vorgestellt und daran anschließend an einigen prägnanten Beispielen aufgezeigt werden, wie sich das reale Versorgungs-Umland im Hinblick auf die idealtypischen Modellvorstellungen ausprägte.
In seiner Schrift „Der isolierte Staat in Beziehung auf Landwirtschaft und Nationalökonomie“, veröffentlicht 1826, entwickelte der preußische Ökonom Johann Heinrich von Thünen eine Standorttheorie landwirtschaftlicher Produktion: Seine Frage war, an welchen Standorten, in welcher Entfernung von einem großen (städtischen) Markt sich der Anbau welcher Produkte am meisten lohnte. [<<65]
Abb 6a und b Die Thünenschen Ringe Schema A stellt das Idealmodell dar, ohne jede landschaftliche Variation, Schema B ist eine Adaption an eine Landschaft mit einem schiffbaren Fluss
Thünen legte als Modellannahme A eine homogene und flache Landschaft mit Böden gleicher Güte zugrunde. Es gebe weder topografische Hindernisse wie Gebirge noch Gunstfaktoren, die Transport nennenswert verbilligten wie Flüsse. Unter diesen Rahmenbedingungen, wo allein die Transportkosten als mit der Entfernung variabler Faktor eine Rolle spielen, kam Thünen zu der Annahme, dass sich um eine Stadt ringförmige Zonen je spezifischer landwirtschaftlicher Produktionen entwickeln. Die Nutzung der einzelnen Zonen hängt vor allem davon ab, wie verderblich das entsprechende Gut ist und wie viel Transport es im Hinblick auf Verderblichkeit und Wert verträgt. In der Tendenz nehme die Intensität der Bodennutzung, d. h. der Einsatz von Arbeit und Kapital pro Flächeneinheit, nach außen kontinuierlich ab. Nach Thünen ist eine Stadt (Stern innerhalb des Kreises “freie Wirtschaft“) zunächst mit einem Gürtel von Gärtnern umgeben, die den städtischen Markt mit frischem Obst und Gemüse, [<<66] mit Heu, Kartoffeln und Rüben versorgen. Teil der “freien Wirtschaft“ ist auch eine Zone der Milchwirtschaft, die Milch und Butter, also ebenfalls rasch verderbliche Güter produziert. Darauf folgt eine forstwirtschaftliche Zone, die – wegen der hohen Transportkosten – vor allem auf die Belieferung der Stadt mit Brennholz ausgerichtet ist. Die folgende Zone („Landwirtschaft:Fruchtwechselwirtschaft“) ist besonders der Getreideproduktion im Rahmen einer Fruchtwechselwirtschaft gewidmet, in der darauf folgenden Zone („Koppelwirtschaft“) wird verbesserte Dreifelderwirtschaft praktiziert, weiter entfernt von der Stadt herrscht extensive Dreifelderwirtschaft vor. Noch weiter von der Stadt entfernt findet man Zonen für Weidewirtschaft und für Bauholzproduktion. Beide Nutzungsformen vertragen eine größere Entfernung vom Konsumzentrum, weil die Masttiere selbst zur Stadt getrieben werden, oder – bei Schafen – ihre Wolle örtlich gewonnen und zur Stadt gebracht wird. Höherwertiges Bauholz verträgt wegen des höheren auf dem städtischen Markt erzielbaren Preises längeren Transport. Die wesentliche Variable ist eine von innen nach außen abnehmende Intensität der Bodennutzung: Pro Flächeneinheit wird auf marktnahen Flächen erheblich mehr Arbeit, aber auch Kapital eingesetzt und dadurch auch erheblich höhere Erlöse erzielt.
Wie Schema II zeigt, sind die geografischen Bedingungen von Schema I tatsächlich kaum gegeben; Berge und Hügel erschweren, Flüsse, die zum Markt führen, erleichtern Transport in sehr erheblicher Weise. In Schema II zeigen sich die Zonen daher nicht ringförmig um die Stadt, sondern bandförmig auf beiden Ufern des Flusses, der die Zugänglichkeit zum städtischen Markt wesentlich verbessert. Zudem ist die Bodenfruchtbarkeit wie auch die Bebaubarkeit von Böden keineswegs gleichförmig und homogen, sondern variiert zwischen guten und schlechten Böden. Von daher weist das reale Versorgungsumland von Städten erhebliche Abweichungen vom Thünenschen Modell der konzentrischen Ringe auf. Dennoch zeigt sich in vielen Fällen, dass die Versorgungszonen zwar nicht in idealtypischer Ringform vorliegen, aber die reale Abfolge der verschiedenen Nutzungsformen mit wachsender Entfernung vom städtischen Marktzentrum durchaus prinzipiell dem Thünenschen Modell entspricht. Daher spielt das Thünensche Modell als heuristische Grundannahme in Forschungsarbeiten, die sich mit der räumlichen Struktur städtischer Versorgung befassen, nach wie vor eine wichtige Rolle.2 [<<67]
4.2 Die mittelalterliche Stadt und der Wald
Der Wald stellte nach Aussage des Mediävisten Ernst Schubert die „wirtschaftliche Grundlage der spätmittelalterlichen Stadt“ dar.3 In einer Quelle zu zwei Wäldern der südwestdeutschen Stadt Pfullendorf wird um 1220 betont, „sine quibus civitas stare non potest“, die Stadt könne ohne sie nicht bestehen.4 Für die Menschen des Mittelalters und auch noch der frühen Neuzeit bildete der Wald eine multidimensionale Ressource, Wolfgang Piereth spricht vom Wald als der „nahezu alternativlosen Universalressource“.5 Auf materieller Ebene standen zunächst einmal die Nutzungen zur Holzversorgung und als “Nährwald“ im Zentrum. Holzversorgung bezog sich nicht nur auf Brennholz, das praktisch bis zur Erschließung und dem Abbau von Steinkohle die wichtigste Brennstoffressource für alle Vorgänge war, bei denen thermische Energie benötigt wurde.6 Holz bildete auch das Baumaterial für die allermeisten Gebäude der Stadt, sowie den Werkstoff, aus dem Werkzeuge, Wagen, Fässer, Möbel, Gerätschaften aller Art gefertigt wurden. Wald war „sowohl Grundstofflieferant als auch wichtigster Energieträger.“7
„Nährwald“ bedeutet, dass den Einwohnern von Städten der fußläufig erreichbare Wald (in Thünens Modell die forstwirtschaftliche Zone in Stadtnähe) als zusätzliche Quelle für Nahrungsmittel diente. Man sammelte dort Beeren, Pilze und Kräuter, hielt Bienen im Wald für Honig, das einzige Süßungsmittel der mittelalterlichen Gesellschaft. Schließlich wurde im Wald Wild gejagt, wobei dies offiziell den Jagdberechtigten, meistens adligen Herren, vorbehalten war. Allerdings zeigen zahlreiche Strafordnungen gegen Jagdfrevel und Prozesse gegen Wilderer, dass illegales Jagen weit verbreitet war. Der Wald diente auch als Weide; Schweine wurden im Herbst in den Wald getrieben, um sich an [<<68] Eicheln zu mästen, in Freiburg i.Br. brachte die Eichelmast 15 % der Einnahmen aus dem Stadtwald. Auch anderes städtisches Vieh weidete regelmäßig im Wald, für Nürnberg wird von 3000–4000 Stück Vieh berichtet, die in den Reichswäldern weideten. Die Waldweide setzte allerdings voraus, dass der Wald überwiegend aus Laubbäumen bestand; ein Nadelholzwald bietet nur wenig Futter für Weidetiere.
Die mittelalterliche Stadt war eine hölzerne Stadt: Nur wenige herausgehobene Bauten, vor allem die Kirchen und Klöster, einige Zunfthäuser, und natürlich die Mauern waren aus Stein. Die allermeisten Wohnhäuser waren dagegen noch ganz oder überwiegend aus Holz, selbst die Dächer waren mit hölzernen Schindeln oder Stroh bzw. Reet gedeckt. Seit dem Spätmittelalter setzte sich auf Druck der Stadtbehörden wegen des Feuerschutzes langsam die Verwendung von gemauerten Kaminen, von feuerfesten, aber rund ein Drittel teureren Ziegeln für die Dächer durch. Holz wurde aber auch für Steinbauten in erheblichem Maße gebraucht, etwa für die Konstruktion von Dachstühlen, Böden, Treppen und für die Gerüste. Der Bau der Münchner Frauenkirche im späten 15. Jahrhundert erforderte 20.000 Baumstämme, die auf der Isar angeflößt werden mussten.
Die städtischen Gewerbe waren ebenfalls in hohem Maße waldabhängig. So verarbeiteten Wagner astfreies Eichenholz, die Drechsler fertigten Büchsen aus Buchsbaum, die Seiler stellten ihre Seile aus Baumrinde her, Tischler und Schreiner verarbeiteten alle Arten von Holz, je nach Verwendungszweck und Geschmack. Sehr viel Holz wurde für Schiffsbau in Hafenstädten, aber auch für Brückenbau in Binnenstädten gebraucht. Großen Holzbedarf hatten die Küfer oder Büttner, die Fässer herstellten, zumal auch die dazu notwendige Herstellung von Teer großen Brennholzverbrauch verursachte. Fässer dienten der mittelalterlichen Wirtschaft als universales Transportmittel, das für Waren aller Art eingesetzt wurde, die geschützt über längere Strecken transportiert werden sollten, sie waren die „Container“ des Mittelalters. Aber auch Handwerker wie Schuster oder Gerber lebten vom Wald; Schuster stellten Leisten und Zwecken (= Nägel) aus Holz her, Gerber verarbeiteten die Baumrinde von Eichen, um die nötige Lohe für den Gerbprozess von Leder zu gewinnen.8
4.2.1 Die Veränderung des Waldes im Zuge des Landesausbaus
Die langfristige Expansion der mittelalterlichen Gesellschaft nach 1000 hatte durch Rodungen im Zuge des Landesausbaus die zusammenhängenden großen Waldgebiete des Frühmittelalters zu Fleckenteppichen gemacht. Seit dem frühen 11. Jahrhundert [<<69] waren auf dem Gebiet des späteren Deutschlands 10 Millionen Hektar Wald verloren gegangen, nur noch ein Drittel der nutzbaren Bodenfläche war bewaldet. Zur Sicherung der Ernährung der bis ins 14. Jahrhundert wachsenden Bevölkerung war der Wald auch in Mittelgebirgslagen gerodet worden. Zunehmende Erosion auf Hanglagen und häufigere Überschwemmungen, weil das Wasserrückhaltepotenzial der Wälder nicht mehr so wirksam war, waren ökologische Folgen dieser Landschaftsveränderung.9 Bezeichnenderweise entstanden die Namen für die großen Waldgebiete der Mittelgebirge – Odenwald, Schwarzwald, Bayerischer Wald – erst im Zusammenhang der Binnenkolonisation des 12. Jahrhunderts; nur im Zuge der großen Rodungen wurden die Wälder als abgrenzbare Gebiete wahrnehmbar.10
Die intensive stadtnahe Waldnutzung hatte den Wald aufgelichtet und in seinem Charakter verändert. Bäume wurden nicht wie heute bodennah, sondern in 1,50–2,00 m Höhe gefällt. Diese belassenen Stöcke trieben wieder neue, natürlich weniger mächtige und im bodennahen Bereich gebogene Schösslinge aus, und diese Stöcke wurden in Zeiträumen von 10–20 Jahren erneut geschlagen. Der Wald erhielt durch diese Art der Bewirtschaftung eine andere Prägung, wurde erheblich lichter und auch deutlich niedriger, die Forstwissenschaft spricht von Plenter-, Nieder- oder Mittelwald. Diese Plenterwirtschaft veränderte auch die Häufigkeit der Baumarten: Buchen, auf vielen Standorten in Mitteleuropa eigentlich die von den natürlichen Bedingungen her dominante Baumart, vertrugen diesen häufigen Einschlag nicht; an ihrer Stelle entwickelten sich Hainbuchen, Birken und Haselbüsche. Weil wegen dieser Waldbewirtschaftung eine dichte und lückenlose Baumkrone häufig nicht vorhanden war, drang mehr Licht auf den Waldboden, was eine nennenswerte, die Waldweide ermöglichende Bodenvegetation förderte. Andererseits erschwerte die Weidenutzung durch Vieh die natürliche Regeneration des Waldes, weil die nachwachsenden Jungbäume durch Verbiss geschädigt wurden und so kaum mehr gerade und hochstämmige Bäume austreiben konnten. Dagegen half die Schweinemast im Wald der natürlichen Verjüngung, weil die Schweine beim Wühlen im Waldboden, die Eichelsamen tiefer ins Erdreich brachten und damit deren Keimung beförderten.11 [<<70]
Städte erhielten häufig im Rahmen von Gründungsprivilegien oder späteren Privilegierungen Nutzungsrechte an nahe gelegenen Waldungen, die dann in den Quellen als „Stadtwald“ oder „Ratswald“ bezeichnet wurden. Diese Privilegien umfassten meist nicht nur Holznutzungsrechte, sondern auch andere, auf den Wald bezogene Rechte wie Schweinemast, Beerenlese bis hin zur Nutzung von Bodenschätzen unter dem Waldboden. Diese Waldrechte waren teilweise „fester Bestandteil der Stadtrechte“.12
4.2.2 Anfänge einer Waldschutz-Politik
Im ausgehenden 13. und frühen 14. Jahrhundert, generell eine Periode sich zuspitzender Ressourcenknappheit, erkannten Zeitgenossen zunehmend die Gefahren einer Übernutzung von Wäldern. Insbesondere die Reichsstadt Nürnberg entwickelte im späten 13. Jahrhundert eine systematische Waldschutzpolitik: In der ältesten Waldordnung von 1294 wurden die Reichswälder vor den Toren Nürnbergs gegen Raubbau geschützt. Wenige Jahre später befahl Kaiser Heinrich VII. 1309 den Nürnbergern, den während der letzten 50 Jahre stark geschädigten Reichswald „wieder zu Wald zu machen.“13 Der Nürnberger Rat bemühte sich daraufhin, die Oberhoheit über die Reichswälder an sich zu ziehen und verfolgte eine Politik, die stark Holz verbrauchende Gewerbe wie Kohlenmeiler, Glas- und Schmelzhütten oder Hammerwerke aus den Reichswäldern verdrängte. Nürnberg, um 1400 eine Stadt mit 5600 Einwohnern, hatte zugleich durch das stark ausgeprägte Metallgewerbe einen besonders hohen Holzbedarf für den Betrieb der Schmieden und Schmelzen. Ab Mitte des 15. Jahrhunderts monopolisierte der Nürnberger Rat jedoch die Reichswälder im Wesentlichen für die Nutzung als Bau- und Brennstoff für lokalen Bedarf; die Saigerhüttenindustrie mit ihrem extrem hohen Holzkohlebedarf wurde systematisch aus den Reichswäldern an erznahe Standorte Mitteldeutschlands abgedrängt. Beispielhaft für einen planmäßigen Umgang mit der Ressource Wald wurde dann insbesondere die Nadelholzsaat, die vom prominenten Ratsherrn und Handelsherrn Peter Stromer (damals häufig auch “Stromeir“ geschrieben) [<<71] 1368 erstmals erfolgreich praktiziert wurde. In der Folgezeit wurde der ursprüngliche Laubholzwald der Reichswälder, in denen die Eichen die Hauptbaumart gestellt hatten, systematisch und langfristig in einen Nadelholzwald umgeformt, in dem Kiefern dominierten. Dieser tief greifende Landschafts- und Vegetationswandel war keinesfalls nur ein Resultat der mageren Böden, sondern resultierte aus ökonomischen Präferenzen: Kiefern und andere Nadelbäume wachsen deutlich schneller als Laubhölzer, schon nach einer Umtriebszeit von 60–80 Jahren kann hier „geerntet“ werden. Die Nürnberger Reichswälder stellen daher den ersten „Kulturwald“ im deutschsprachigen Raum dar im Sinne einer durch menschliche Planung erfolgten Aufforstung und Artenselektion.14 Auch der heute noch dominierende Besatz des Nordschwarzwalds mit Fichten ist nicht der Überlegenheit dieser Baumart für die bodenmäßigen und klimatischen Standortbedingungen geschuldet, sondern Resultat „anthropogener Waldzerstörungen“ seit dem Spätmittelalter.15 Insgesamt sind heute nur noch sehr wenige Wälder in Mitteleuropa Urwälder in dem Sinne, dass ihre aktuelle Artenzusammensetzung dem Zustand vor Beginn einer systematischen Waldwirtschaft entspricht. Veränderte sich – u. a. durch menschliche Steuerung – die Zusammensetzung von Baumarten, so konnte auch die Funktion des Waldes als Nährwald erheblich beeinträchtigt werden. So schränkte das Verschwinden der Weißtanne die Waldbienenzucht und damit die Honigproduktion an waldnahen Standorten erheblich ein.16 Die Nadelholz-Saat entwickelte sich zum Exportschlager: Bereits Ende des 14. Jahrhunderts wurde sie in großem Umfang für den Frankfurter Stadtwald angewandt, Nürnberg lieferte denn auch in der Folgezeit immer wieder Nadelholzsamen, häufig zusammen mit Fachleuten, nach Frankfurt wie auch in andere Städte.17
In Erfurt, ebenfalls eine im Spätmittelalter rasch wachsende Stadt, wird 1359 erstmals von einer Schlageinteilung im Stadtwald berichtet.18 Bestimmte Waldabschnitte, sogenannte Schläge, wurden zu festgelegten Zeiten zum Fällen freigegeben, gleichzeitig andere gesperrt, um eine Regeneration und Verjüngung des Waldes zu ermöglichen. Diese Praxis setzte sich dann mit der obrigkeitlichen Forstwissenschaft der frühen [<<72] Neuzeit allgemein durch. Ihre physische Manifestation, die Einteilung des Waldes in durch meist orthogonal angelegte Waldwege und physische Barrieren klar abgegrenzte Bezirke, bestimmt noch heute das Gesicht unserer Wälder.19
Insgesamt bewirkte die Angst vor einer drohenden Verknappung der Ressource Wald vielfältige Vorsorgemaßnahmen der Städte für die Wälder, deren Nutzung sie beeinflussen konnten. Generell hing die Regelungsdichte in Bezug auf den Stadtwald, wie Ernst Schubert konstatiert, von der Größe einer Stadt, ihrer Transportsituation und dem Grad ihrer Holzabhängigkeit ab. Nürnbergs Vorreiterrolle resultierte auch aus dem Umstand, dass die Stadt sich eben nicht auf dem Wasserweg preisgünstig mit den erforderlichen Holzmengen versorgen konnte; sparsame und langfristig angelegte Ressourcenbewirtschaftung wurde daher besonders wichtig. Waldpolitik zielte auf den Schutz bestimmter Waldteile und bedeutete häufig auch die Einschränkung der Allmend-Nutzungen des Waldes seitens der städtischen Einwohner, die traditionell im Stadtwald Holz lesen und auch Bau- und Werkholz in gewissem Rahmen entnehmen durften. Vom Rat eingesetzte Waldknechte beaufsichtigten und regulierten nunmehr die Waldnutzung der Städter.
Waldschutzpolitik konnte allerdings nur greifen, wenn überhaupt nennenswerte Waldbestände in der Nähe einer Stadt vorhanden waren. Für viele Städte traf dies nicht (mehr) zu, und von daher entwickelten sich seit dem Spätmittelalter zunehmend räumlich ausgreifende Handelsbeziehungen zwischen Waldgebieten und Holzbedarfsgebieten. London, mit rund 80.000 Einwohner um 1300 eine der größten europäischen Städte nördlich der Alpen, wurde mit Brennholz aus einem umfangreichen Einzugsgebiet längs der Themse und auf beiden Seiten der Themse-Mündung versorgt, rund 160 km von Henley am Oberlauf der Themse bis Foulness und Margate an der Themse-Mündung; diese Zone war aber nur rund 27 km tief auf beiden Seiten, weil der Landtransport sonst zu teuer geworden wäre.20 Die Fläche, die für die Sicherung von Londons Brennholzbedarf um 1300 erforderlich war, lag bei rund 29.000 ha, der „Holz-Fußabdruck“ umfasste also rund das Hundertfache der städtischen Gemarkungsfläche! In diesem Gebiet wurden Wälder speziell für die Brennholzbedürfnisse der Hauptstadt bewirtschaftet. Niedrige, schnell nachwachsende Laubbäume wurden in vergleichsweise kurzen Zyklen „geerntet“.21 Während London die Ausrichtung der Region auf [<<73] seine Holzbedürfnisse primär marktgesteuert erreichen konnte, bietet die Salzstadt Lüneburg ein Beispiel für eine dediziert politische Sicherung von Versorgungsgebieten: Nachdem die lokalen Waldbestände auf den Flächen, die jetzt die Lüneburger Heide bilden, abgeholzt waren, baute Lüneburg mit erheblichem Aufwand Floßkanäle, um Brennholz aus den mecklenburgischen Wäldern herbeizuschaffen. Trotzdem gelang es Lüneburg langfristig nicht, den Niedergang der Stadt aufzuhalten; das in Lüneburg raffinierte Salz war zu teuer, um die Konkurrenz mit anderen Salzstädten und deren günstigeren Produktionsbedingungen bestehen zu können.22 Aber auch in Fällen wie etwa Lübeck, das dank eines Barbarossa-Privilegs von 1188 durchaus substanzielle Wälder in der Nähe besaß, schloss der Rat im Sinne einer Diversifizierung und wohl auch zur Schonung der eigenen Bestände Verträge mit regionalen Adligen über befristete Waldnutzungen zur Gewinnung von Bauholz. Solche Verträge bezifferten die Zahl der Bäume, die innerhalb des Vertragszeitraums entnommen werden durften, meist ging es um hochstämmige Eichen. Lübeck nutzte auch seine verkehrsgünstige Lage und seine weit gespannten Handelsbeziehungen, um Bauholz aus dem Ostseeraum zu beziehen; Danzig fungierte hier als wichtiger Umschlagplatz.23