Kitabı oku: «Deutschland – deine Politiker», sayfa 2

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Als sie mir damals ihre neue Liebe gestand, schaute Angelika Beer so glücklich drein, dass ich zum Ende unseres Gesprächs aufstand, ein wunderschön gestaltetes Buch mit Liebesgedichten aus dem Regal nahm, um es ihr zu schenken. An der Kasse setzte die Verkäuferin ein maximal breites Grinsen auf. Für sie war sonnenklar, warum ich Angelika Beer Liebesgedichte schenkte. Unser Lachen darüber konnten wir gerade noch bis zum Restaurantausgang unterdrücken.

Später erzählte sie mir am Telefon, dass seine Scheidung zügig lief. Ihr Oberstleutnant verließ nicht nur seine bisherige Familie, sondern auch die Bundeswehr, um nur noch mit seiner Angelika zu leben.

So schnell ging es nicht beim engagierten Sozialdemokraten Rudolf Dreßler.12 Vielmehr dauerte es gut drei Jahre, bis er mir am 23. April 1999 abends in Niederdollendorf seinen Scheidungserfolg verkündete: „Dieser Freitag ist einer der glücklichsten Tage in meinem Leben.“ Frisch geschieden von seiner zweiten Ehefrau Leocadia, meinte der damalige SPD-Fraktionsvize: „Ich bin froh, dass wir uns am Ende außergerichtlich gütlich geeinigt haben. In 15 Minuten war die Scheidung vollzogen.“ Gegenüber seiner zweiten Frau wollte er „nicht kleinlich sein“: Sie bekam die Hälfte aus dem Verkaufserlös des einst gemeinsamen Wohnhauses in Wuppertal und noch monatlich fast die Hälfte seiner Diäten von rund 13.000 D-Mark. Den Beginn seines neuen Lebensabschnitts feierten Rudolf Dreßler und seine neue Partnerin, die Journalistin Doris Müller (39), im Gasthof „Bredershof“ in Niederdollendorf bei Bonn. Dort tranken wir gemeinsam ein Glas Sekt „auf die deutschen Richter“. Für sie war nun der Weg frei für ein unbeschwertes gemeinsames Glück: „Sobald die Gerichtsurkunde zugestellt ist, wollen wir heiraten.“ Taten sie auch. Als ich ihn Jahre später als hilfsbereiten Botschafter in Israel traf, hielt das Glück immer noch an.

Etwas weniger offensiv agierte sein Parteifreund Hans Eichel.13 Er wollte sich nur einmal outen und dann sollte Ruhe sein. Dazu rief mich sein Sprecher Torsten Albig (der spätere Ministerpräsident von Schleswig-Holstein) an mit dem Hinweis: „Ja, er lebt getrennt. Aber auch ein Minister braucht eine Schulter zum Anlehnen. Wir machen die Story exklusiv mit Ihnen und das war es.“ Er hat sich daran gehalten. So erfuhr die Öffentlichkeit mitten in der wichtigen Haushaltsdebatte des Bundestages vom neuen Glück des Finanzministers, das so gar nicht zu seinem bisherigen Erscheinungsbild passen will. Farblos, ein Mann ohne Sinn für das Schöne im Leben. Und dann die Meldung, er hat eine Neue: Gabriela Wolf, 47, eine Architektin aus Kassel. Eichel: „Wir kennen uns seit mehr als 20 Jahren und sind seit über einem Jahr miteinander befreundet.“ Beide hatten sich 1978 auf einem Volksfest bei Kassel kennengelernt und kamen sich sehr schnell näher. Eichel: „Weitere Erklärungen zu unserer Beziehung werden wir nicht abgeben und bitten die Medien, unsere Privatsphäre zu respektieren.“ Damit zogen beide eine klare Trennlinie zur Selbstdarstellung von Parteifreund Rudolf Scharping.

Noch weniger mitteilsam ging es bei Oskar Lafontaine14 zu. Er wollte den Partnerwechsel am liebsten ganz ohne Medien vollziehen. Von 1967 bis 1982 war er mit Ingrid verheiratet. 1982 folgte Margret für sechs Jahre und 1993 Christa Müller („Püppi“). Dieser Frauenwechsel wurde erst am 14. Januar 1994 durch ein kleines Wort publik. Beim Sülze-Essen in Oskars Heimatort Dillingen-Pachten langte der damalige Saar-Ministerpräsident mit seiner Begleiterin kräftig zu und verblüffte die Genossen mit dem Satz: „Ich bedanke mich auch im Namen meiner Frau Christa Müller.“ So kam heraus, dass der damals 50-jährige Oskar seine strohblonde Freundin Christa Müller (damals 37) nach fünf gemeinsamen Jahren in aller Stille standesamtlich geheiratet hatte – mit anschließenden Flitterwochen auf der Karibik-Insel St. Lucia. Zuvor hatte er auf vorsichtige Fragen, ob Christa Müller seine Ehefrau Nummer drei werde, mal mürrisch, mal grinsend geantwortet: „Das geht sie einen feuchten Kehricht an.“ Noch ungnädiger reagierte er nach dem Verlassen von SPD und seiner Christa Müller. Inzwischen zum Star der SED-Nachfolgeorganisation Linkspartei avanciert, erschien die 26 Jahre jüngere Vorzeigefrau der Kommunistischen Plattform immer öfter an seiner Seite. Als der Spiegel 2009 erstmals über eine Affäre Lafontaines mit Sahra Wagenknecht (damals verheiratet mit Filmproduzent Ralph-Thomas Niemeyer) berichtete, reagierte der Ertappte indigniert. Erst im November 2011 bekannte der inzwischen 68-jährige Lafontaine wie beiläufig zum Ende seiner Rede auf dem Linke-Parteitag in Saarbrücken: „Ich lebe seit einiger Zeit getrennt und bin seit einiger Zeit mit Sahra eng befreundet.“ Damit sollte Schluss dieser Debatte sein: „Es ist alles gesagt.“ Bleibt nachzutragen, dass sie am 22. Juni 2012 ganz zu ihm zog, sich dort offiziell anmeldete und von Hochzeit sprach.

Im Laufe der Jahre veränderte sich die Berichterstattung über dieses Privatthema. Inzwischen musste schon viel geschehen, um damit in die Schlagzeilen zu kommen. Gerhard Schröder15 schaffte das erst im dritten Anlauf. Zunächst war er drei Jahre mit Eva (bis 1971) verheiratet, dann folgten Anne (bis 1983) und Hiltrud (Hillu), die ihm im März 1996 die Koffer vor die Tür stellte. Das war dann eine Schlagzeile wert.

Als Schröder später Kanzlerkandidat wurde, fragten einige Genossen besorgt, ob es im Wahlkampf Probleme mit Schröders Privatleben geben könne. Fraktionschef Peter Struck beschwichtigte damals: „Wir haben auch über sein Privatleben gesprochen, aber das gibt für die Konservativen nichts her. Gerd heiratet ja immer seine Frauen.“ Und tatsächlich kündigte Doris Köpf (*1963) im Juni 1996 an, sie werde voraussichtlich im folgenden Jahr zu ihrem Gerd ziehen.

Kennengelernt hatte sie ihn schon viel früher. Dazu ein kurzer Rückblick auf das Jahr 1987. Im September wurde ich auf die strebsame junge Journalistin aufmerksam. Ihre Arbeit bei der „Bild“-Zeitung ließ bei ihr schon nach wenigen Monaten Wandergelüste aufkommen. Also holte ich sie zum 1. Oktober in meine Parlamentsredaktion des „Express“. Die vielseitig interessierte, mädchenhaft junge, blonde Doris Köpf kniete sich voll in die Arbeit und gewann rasch Kontakte zu Politikern. Früh lernte sie Wolfgang Kubicki (FDP) näher kennen, aber auch Prominente aus der CSU wie Peter Gauweiler und besonders Johnny Klein. Ebenso namhafte CDU-Politiker und Berufskollegen wie Sven Kuntze, den Vater ihrer Tochter. Als ich meine Redaktion zur Hauseinweihung einlud, saß sie abends mit ihm platzsparend auf unserer Kaminbank.


Doris Köpf mit Klaus Töpfer in der „Express“-Parlamentsredaktion

Unter den SPD-Politikern lernte sie schon bald Gerhard Schröder („Gerd“) kennen, den sie 1997 heiratete und mit ihrer Tochter zu ihm zog.

Kurz drauf erklärte sie mir: „Ich habe die SPD-Mitgliedschaft beantragt und erwarte jeden Tag mein Parteibuch, auf das ich mich sehr freue.“ Bekanntlich war es ihr damit ernst, denn 2012 startete sie sogar eine Kariere als Landtagsabgeordnete.


Joschka Fischer als junger Grüner

Mit dieser vierten Heirat kam bei Autofan Schröder spätestens im Jahr seiner Kanzlerwahl 1998 der Spruch auf, dass er nun wie beim Audi-Markenzeichen auf dem Kühlergrill den vierten Ring am Finger habe. Sein Vizekanzler Joschka Fischer16 brachte es bald danach auf die fünf olympischen Ringe. Etwas sparsamer war Franz Müntefering17, kurz Münte genannt, mit seinen Ringen.

Wie das mit Münte anfing, erfuhr ich erst 2004 auf seiner Wahlkampftour. Es war die Zeit des Sturzflugs der SPD. Im sauerländischen Arnsberg (katholisch, CDU) empfingen gerade mal 68 Bürger, einschließlich Bierzapfer, den hohen Gast aus Berlin auf ihrem Marktplatz. Der regionale Spitzenkandidat Franz-Georg Schröder gab mir seine Visitenkarte. Auf der und auf seinem kleinen Werbe-Smart stand alles Mögliche von „ganz nah dran“ bis zu seinem Namen, aber kein Wort von Sozialdemokratie, nicht einmal das Kürzel SPD. So wollte er dem Abwärtssog der eigenen Schröder-Partei entgehen. Dann setzte auch noch Regen dem Sommerfest ein Ende. Schröder war da vorsichtiger als Münte, kam erst Stunden später in die Schützenhalle von Sundern, um den Genossen weltmännisch Mut zuzusprechen. Münte blieb eher hausbacken, erzählte mal wieder, wie er nach dem Krieg den SPD-Ortsverein „Altes Testament“ gründete, benannt nach der Region aus zwölf Gemeinden. Und das in der Kneipe mit dem beziehungsreichen Namen „Himmel“.

Am Abend wurde es bei diversen Bierchen etwas persönlicher. Christoph Plass beklagte erst seine Probleme mit der Netzhaut, gab sich als ältester Freund von Münte aus und erinnerte an die vergangenen Jahre der engen Gemeinsamkeiten. Ihn beschäftigte immer noch, dass sein Freund „damals“ die Mutter von der eigenen Ehefrau Renate (verheiratet seit 1961) bis zum Ende pflegen ließ und „sich gleichzeitig bereits eine neue Frau gesucht“ habe.

Ende 1980 folgte die Scheidung. 1995 heiratete er seine Freundin Ankepetra, die SPD-Bundestagsmitarbeiterin. Im katholischen Sauerland kam das nicht so gut an. Aber im fernen Berlin erlebten wir ihn nur in erkennbarer Liebe zu seiner zweiten Frau. Dass seine Tochter Mirjam aus erster Ehe ihre Freundin Sabine offiziell heiratete, war nach der Jahrtausendwende schon keine Sensation mehr.

Anhaltender waren da die Schlagzeilen, als sich Münte 2007 immer mehr um seine krebskranke Ankepetra kümmerte und deswegen sogar am 13. November als Arbeitsminister und Vizekanzler zurücktrat. Die Bundeskanzlerin hatte ihm eine Auszeit angeboten. Doch er wollte keine halben Sachen.

Ein klarer Fall von Rücktritt aus Liebe. Am 31. Juli 2008 verstarb seine Ankepetra.

Monate später spielte eine Frau, jünger als seine Tochter, im Leben des Franz Müntefering zunehmend eine Rolle. Sie kannten sich aus der Parteiarbeit mindestens seit 2004.

Als im Mai 2009 das neue Glück des Franz Müntefering durchsickert, erlebe ich reihenweise staunende Genossen wie Peter Struck, die sich fragen, ob das ernst gemeint ist. Die damaligen Daten sind auch bemerkenswert: Münte 69 Jahre, Michelle Schumann 29 Jahre. Aber sie heiraten. Kurz nach den Flitterwochen auf Madeira („Zwei Wochen. Das war der längste Urlaub meines Lebens.“) kommt er Ende Januar 2010 mit seiner Michelle ins Berliner Tempodrom zu Peter Maffay, der zu seinem 60. rockt. Ich frage das junge Paar, wer von beiden der größere Maffay-Fan sei. Münte: „Ich bin 1,76 Meter, sie ist 1,63 Meter.“ Was immer das heißen soll. Sein Glück erscheint dauerhaft. Sie strahlt ebenfalls. Und sie hat noch beruflich einiges vor. Mit dem großen alten Mann der SPD an ihrer Seite startete sie 2013 in den Bundestagswahlkampf, um als Abgeordnete in Müntes Fraktion einzuziehen, der selbst nicht mehr antrat.

Ein fraktionsinternes Bäumchen-Wechsel-Dich lieferten im Frühjahr 2000 die SPD-Bundestagsabgeordneten Christine Lambrecht (damals 35) und Hans-Joachim Hacker (50). Sie fielen zwar sonst nie auf, aber als die Mannheimerin Lambrecht ihren Freundinnen ein süßes Geheimnis anvertraute, machte das schnell die Runde. Die Noch-Verheiratete bekam ein Kind von ihrem Fraktionskollegen aus Schwerin. Der Familienvater mit vier Kindern reichte daraufhin die Scheidung ein und verkündete: „Ich werde alle Verpflichtungen erfüllen, aber die Trennung von Tisch und Bett ist unumkehrbar.“ Seine Begründung: „Die Politik ist sicherlich ein Grund, warum wir uns nach 25 Ehejahren auseinandergelebt haben. Natürlich ist das neue Leben hier in Berlin auch ein wesentlicher Grund.“

Der Ewiggestrige verlässt den Bundestag

Das war nur noch eine Meldung auf Seite Drei. Denn der Partnertausch bei Hinterbänklern reichte nach der Jahrtausendwende kaum noch für eine Schlagzeile. Der ziemlich konservative CSU-Politiker Norbert Geis wirkte da eher wie ein übriggebliebenes Fossil, als er 2012 „Spiegel“-Redakteuren kurz vor seinem eigenen Kariereende als Abgeordneter zu Protokoll gab, er könne jemanden nicht wählen, wenn dieser sein Heiratsversprechen nicht einhält. Selbst Bundespräsident Joachim Gauck18 wollte Geis raten, seine „persönlichen Verhältnisse zu ordnen, um nicht angreifbar zu sein“. Was immer das heißen sollte: Rückkehr zur Ehefrau, von der Gauck getrennt lebt, oder Trennung von der heutigen Lebensgefährtin? Unsinn. Über solches Ansinnen ist die Zeit erfreulicherweise hinweg.

Ein so kompliziertes Privatleben allerdings, wie es Horst Seehofer19 jahrelang praktizierte, finden die Bürger (und vor allem die Bürgerinnen) wohl zu jeder Zeit spannend.

Angefangen hat diese Seehofer-Berichterstattung mit dem Hinweis, dass sich der Familienvater in Berlin eine Geliebte hält. Das machte richtig neugierig, als Anfang Januar 2007 auch noch herauskam, dass die Neue an seiner Seite schwanger war. Klar: Die Abende im Regierungsviertel fernab der Familie sind einsam. Im fünften Stock des riesigen schlangenförmigen Appartement-Hauses für Politiker nahe dem Reichstag aß Horst Seehofer oft zum Tagesabschluss allein eine deftige Brotzeit oder er ging zum Abschluss noch zu einem der vielen Empfänge. Genau dabei hat er 2004 die gut 20 Jahre jüngere quirlige Büroleiterin seines damaligen Fraktionskollegen Laurenz Meyer kennengelernt. Sie war mehr als einen Kopf kleiner, schlank, sehr gebildet – und eben da. Aus interessanten Gesprächen bei Abendempfängen wurden Gemeinsamkeiten während der Berliner Tage des Horst Seehofer. Zunächst in großer Verschwiegenheit.

Der erste Wohnsitz Ingolstadt blieb seine eine Welt, Berlin die andere. In beiden fühlte er sich wohl.

Plötzlich ist seine Berlinerin im vierten Monat schwanger. Sie vertraut ihr süßes Geheimnis Kolleginnen auf dem Flur und im Fitnessraum an, zeigt stolz das Ultraschallbild. Seehofer selbst schwieg dazu („Kein Kommentar“) und verzichtete nach Mitteilung seines Ministeriums „vorerst“ auf öffentlichkeitswirksame Auftritte. Dazu verschickte das Bundeslandwirtschaftsministerium am 18. Januar 2007 um 11.16 Uhr dieses Fax auf Briefbogen der Anwaltskanzlei Prinz, Neidhardt, Engelschall in Hamburg und Berlin:

„Zu den zahlreichen Medien-Veröffentlichungen der vergangenen Tage über mein Privatleben möchte ich nur folgendes mitteilen. Über meine privaten und familiären Angelegenheiten werde ich mich in der Öffentlichkeit nicht äußern. Eine Diskussion auf dieser Ebene ist unter meinem Niveau. Als Politiker bin ich es gewohnt, wenn die Sache es erfordert, mit harten Bandagen zu kämpfen. Dies ist auch der Maßstab, an dem ich meine politische Arbeit gemessen sehen will. Traurig finde ich allerdings, dass in bestimmten Medien eine Kampagne läuft, die insbesondere auch meine Familie stark beeinträchtigt. Ich werde hiergegen nachhaltig mit allen rechtlichen Möglichkeiten vorgehen und habe diese Vorgänge an meine Anwälte von der Sozietät Prinz übergeben. Berlin, den 17. Januar 2006 Horst Seehofer.“

Dabei feierte Horst Seehofer noch einen Monat zuvor im bayerischen Ingolstadt fernab von seiner Geliebten mit Ehefrau Karin und den drei Kindern im gemütlichen Vororthaus seinen 21. Hochzeitstag.

In seinem Wahlkreis ist er zu der Zeit die absolute Nummer Eins, wird mit dem Rekordergebnis von 65,9 Prozent gewählt. Sein Versprechen seit zehn Jahren: „Die Kinder sind jetzt in einem Alter, wo die Probleme von meiner Frau allein nicht mehr zu bewerkstelligen sind. Ich werde mir da auch mehr Zeit nehmen müssen.“ Daran hält er sich nach außen sichtbar, gibt sich gern als Familienmensch. Die weiß-blaue Welt scheint für ihn in Ordnung, die Kinder haben viel Verständnis für den arbeitsintensiven Berufsalltag. Sich selbst sah Seehofer zu keiner Zeit als Querdenker, sondern „schlicht und einfach als standfest: Ich bemühe mich, dass Denken, Reden und Handeln übereinstimmen – eigentlich die natürlichste Sache für jeden Menschen.“ In seiner persönlichen Alltagspraxis sah das dann allerdings so aus: Seehofer ließ lange Zeit offen, ob er mit neuer Frau und deren Kind oder mit seiner bisherigen Ehefrau und deren Kindern künftig zusammenleben wolle.

Da es in Bayern gleichzeitig um das politische Erbe des langjährigen Landesvaters Edmund Stoiber ging, geriet das Privatleben zum Politikum. Ganz nach dem Motto: „Horst Seehofer hat sich im Kampf um den CSU-Vorsitz disqualifiziert.“ Wer die heile Familie als politisches Argument zelebriert, obwohl er sich gleichzeitig mit einer weiteren Frau auf ein Kind freut und sie in der Hoffnung auf ein gemeinsames Leben wiegt, der erschien so manchem Beobachter schlicht unglaubwürdig. Genau das habe ich ihm an einem langen Abend bei Rotwein erzählt, während er sich über die Verfolgung durch Journalisten beklagte – in einigen Fällen nicht ganz zu Unrecht. Im Beisein seiner damaligen Sprecherin saßen wir im Steak-Restaurant, das in den Innenhof des ZDF-Hauptstadtstudios reicht. Die Kellnerin stellte schon Stühle hoch, brachte uns aber trotzdem noch Rotwein. Seehofers unterhaltsame Ausdauer kannte ich nicht zuletzt von meiner eigenen Geburtstagsparty Jahre zuvor. Nur diesmal war das Gespräch ernster und, ehrlich gesagt, ohne richtiges Ergebnis, denn wir verabschiedeten uns herzlich, aber mit geteilter Meinung.

Im folgenden Februar gab es erste Anzeichen für eine Neuordnung. Es hieß, die Aussöhnung mit Ehefrau Karin (damals 48) in Ingolstadt komme „gut voran“. Allerdings war das Problem mit seiner gut 20 Jahre jüngeren Ex-Geliebten in Berlin noch nicht gelöst. Sie fand sich nur schwer damit ab, dass Seehofer nun doch bei seiner Familie bleiben und sie in der Hauptstadt allein lassen könnte.

Am 14. Februar kritisierte der Kölner Kardinals Joachim Meisner im dortigen „Express“: „Wenn ein Politiker permanent ein Desaster nach dem anderen in seiner Familie erlebt, heißt es bei uns: Blendet das Private aus, in der Politik geht es um etwas ganz anderes. Warum? Haben wir es denn bei ihm mit zwei verschiedenen Menschen zu tun? Oder ist er eine gespaltene Persönlichkeit? Dann ist er schizophren und gehört zum Arzt, aber nicht auf einen Ministersessel. Wenn wir über Wertevermittlung reden, muss man an das private Leben öffentlicher Personen besondere Ansprüche stellen dürfen. Was soll denn ein mehrfach geschiedener Politiker über eheliche Treue sagen? Da lachen doch alle.“ Im Fall Seehofers müsse man sich fragen: „Wie will er denn Vorsitzender einer christlichen Partei werden?“ Wurde er auch diesmal nicht.

Offiziell verkündete Seehofer zu der Zeit noch, er werde sich „in absehbarer Zeit zu Medienberichten über eine angebliche Affäre äußern.“ Seine Wähler hätten ein Recht auf eine klare Aussage, aber man müsse ihm die Chance für die nötige Klärung zubilligen. Seine Geliebte ließ sogar von ihrem Anwalt verkünden, dass sie schweigen werde.

Doch nicht von langer Dauer.

Als ihr dämmerte, dass Seehofer zu seiner Frau zurückkehren werde, ging sie in die Offensive. Auf Seite Eins der „Bunten“ vom 1. August präsentierte sie sich mit vollem Namen samt Tochter Anna Felicia und beklagte, die Art und Weise der Trennung habe sie „tief getroffen und verletzt. Ich war bestürzt und konnte es nicht begreifen“. Seehofer habe zuerst seine Parteifreunde und erst dann sie informiert. Die junge Mutter weiter: „Leider hat er mir seine Entscheidung nicht persönlich, sondern am Telefon mitgeteilt. Vor allem hätte ich sie als Betroffene gern als Erste erfahren.“ Sie sei jedoch „erleichtert, dass jetzt endlich diese Ungewissheit weg ist.“ Der CSU-Politiker habe ihr „bis zum Schluss Hoffnungen gemacht.“ Sie hätte nicht gedacht, dass es so lange dauert, bis er sich entscheidet. Mit einem druckfrischen Exemplar dieser Anklage unterm Arm fuhr ich ins bayerische Markt Rettenbach. Dort hatte die CSU zur Diskussion mit Seehofer geladen. Der Adlersaal war proppenvoll, die Gäste gespannt auf ihren großen Redner aus dem fernen Berlin. Der kommt pünktlich um 20.00 Uhr, redet viel über die Bedeutung der Landwirtschaft, EU, Hilfen aus Brüssel und über die CSU, deren Vorsitzender er gern würde. Als er mit korrekt weiß-blauer Krawatte verspricht: „Ich werde die deutschen Interessen in der EU mit Nachdruck vertreten“, kommt Gemurmel auf. Seehofer irritiert: „Was ist das für ein Echo?“ Parteifreund Kurt Rossmanith aus der Region: „Die wollen wissen, wie lange du noch im Amt bist.“


Seehofer, mit dem „Bunte“-Titel konfrontiert

Seehofer ballt die Faust: „Da werden sich manche noch wundern, wie lange ich im Amt bin. Ich bin schon durch so manches Stahlbad gegangen.“

Ich wechsle im Saal mehrfach meinen Platz. Mit Bierkrug in der Hand, Wurstsalat auf dem Teller, sagt mir mancher hinter vorgehaltener Hand, was er heute von Seehofer hält: „Die Art des Umgangs mit seiner Ex-Freundin und seine Entscheidungsschwäche schaden seinem Ansehen.“ Die Sekretärin Gerlinde Kössler („Ich bin 50 plus, wie die CSU in Bayern“) redet frei heraus: „Das Wie seines Umgangs lässt Rückschlüsse auf seinen Charakter zu. Das schadet dem Seehofer sicher, obwohl er als Minister so kompetent wirkt.“ Der wohlbeleibte Jochen Wölfe (damals 53) sieht das ganz anders: „Das hätt’ die doch wissen müssen, dass der Seehofer Horst verheiratet ist.“

Nach seiner Rede als Wahlkämpfer um das Amt des CSU-Vorsitzenden wird Horst Seehofer immer einsilbiger. Im Ausgang des Landgasthofs Adler nahe Ottobeuren meint er zu mir: „Da ist ja sogar ein Gast aus Berlin.“ Doch sein Lächeln schwindet sofort, als ich ihm die Titelseite mit dem Interview seiner (inzwischen wohl eher) Ex-Geliebten Anette Fröhlich zeige und wissen will: Was halten Sie davon?

Seehofer: „Dazu kein Kommentar.“

Frage: Schadet Ihnen das bei der Bewerbung um den Parteivorsitz?

Seehofer: „Auch dazu kein Kommentar.“

Frage: Wie finden Sie denn die Fotos von Ihrer Tochter?

Seehofer: „Dazu sage ich nichts.“

Frage: Wo fahren Sie denn jetzt hin?

Seehofer: „Ich fahre jetzt dorthin, wo ich hingehöre.“

Spricht’s und entschwindet, den goldenen Ehering am rechten Ringfinger, im illustriertenfreien Audi nach Hause. Zum Abschied spielt die Kapelle „Auf, auf zum fröhlichen Jagen“. Zur selben Zeit ist Anette Fröhlich bei ihren Eltern in Franken.

Die Distanz zwischen Horst Seehofer und ihr wird nun auch im ganz persönlichen Gespräch deutlich. Unter vier Augen redet er mir gegenüber nur noch von „Frau Fröhlich“ und kehrt offiziell zur Familie zurück. Es wächst zwar Gras über das zeitweilige Doppelleben, aber nicht schnell genug. Am 29. September verliert Seehofer die Wahl um den CSU-Vorsitz mit 39,1 Prozent. Wirtschaftsminister Erwin Huber gewinnt mit 58,19 Prozent. CSU-Parteichef in München wird Seehofer im Oktober 2008. Fünf Jahre später residiert seine Ex-Anette in Berlin als verbeamtete Sprecherin der staatlichen Regulierungsbehörde – zur Überraschung der 2.700 Mitarbeiter im Bonner Stammhaus der Behörde.

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Litres'teki yayın tarihi:
25 mayıs 2021
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467 s. 79 illüstrasyon
ISBN:
9783954628513
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