Kitabı oku: «Deutschland – deine Politiker», sayfa 4

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III.Skandale, Amtsmissbrauch und der Griff in die Staatskasse

Watergate in Deutschland

Erheblich länger hatten so manche Politiker an ganz anderen Problemen zu knabbern. Vor allem an ihren Skandalen bis hin zum Amtsmissbrauch. Das gilt besonders für eine Affäre an der norddeutschen Waterkant, die unsere Republik so heftig erschütterte, dass schon früh das Wort von ‚Waterkantgate‘ die Runde machte. In Anlehnung an die Watergate-Affäre, bei der im Juni 1972 Einbrecher in den Räumen der Demokratischen Partei im Washingtoner Watergate-Häuserblock erwischt wurden, wie sie für das Wahlkomitee von US-Präsident Richard Nixon beim politischen Konkurrenten Abhörwanzen anbringen wollten. Zwei Jahre später trat bekanntlich Nixon zurück.

Für CDU-Ministerpräsident Uwe Barschel29 kam das Ende viel schneller. Bei seinem SPD-Herausforderer Björn Engholm30 dauerte es umso länger. Er stieg erst noch mächtig auf, wurde als angeblich unwissendes Barschel-Opfer dessen Nachfolger, SPD-Bundesvorsitzender und sollte bereits Kanzlerkandidat werden, als ihn seine Lügen einholten und er alles verlor.

Auch im kleinen Kiel (240.000 Einwohner) gab es in der Affäre Barschel-Engholm wie in Washington den geplanten Einsatz von Wanzen. Aber nicht etwa, um den ungeliebten Gegner – in dem Fall die SPD – auszuspionieren, sondern um den falschen Verdacht aufkommen zu lassen, der Gegner SPD habe Wanzen bei der CDU-Spitze eingesetzt. Es war auch sonst alles etwas komplizierter. Im Hauptstadt-Distrikt der USA mit 7,6 Millionen Einwohnern gab es die Partei der Bösen mit dem Präsidenten an der Spitze und die Oppositionspartei der ahnungslosen Guten. Anfangs sah es zwar auch in Kiel danach aus, aber nur anfangs.

Und das kam so: Punktgenau am Montag vor der Landtagswahl vom 13. September in Schleswig-Holstein meldet der „Spiegel“, dass SPD-Spitzenkandidat Björn Engholm von Privatdetektiven beschattet wird, gegen ihn eine anonyme Anzeige wegen Steuervergehen vorliege und das alles mindestens mit Wissen des amtierenden CDU-Ministerpräsident Uwe Barschel. Dann legt der „Spiegel“ nach. Am Samstag direkt vor der Wahl liefert das Magazin in Vorabmeldungen eine eidesstattliche Erklärung, wonach Barschels Medienreferent Reiner Pfeiffer (*1939) die Anzeige wegen Steuerhinterziehung und die Bespitzelungsaktion in direktem Auftrag seines Chefs Uwe Barschel gestartet habe. Genauer, Barschel habe ihm im Januar die anonyme Anzeige bei der Steuerfahndung und ein Schreiben an den Finanzminister „selbst diktiert“. Die Typenräder der genutzten Schreibmaschine seien danach „in einen privaten Mülleimer“ geworfen worden. Obendrein habe Barschel „persönlich“ Ende Januar angeordnet, Engholm zu überwachen. Eine zuverlässige Agentur solle mit Fotos beweisen, dass Engholm als smarter Frauentyp „homosexuell“ sei, zugleich aber auch ein „ausschweifendes Leben mit dem anderen Geschlecht führt“. Die Kosten von 50.000 D-Mark für die Bespitzelung Engholms wollte demnach der Direktor des Schwarzkopf-Kosmetikkonzerns, Karl Josef Ballhaus, übernehmen.

Pfeiffers Schmutzkampagne steigerte sich von Warnungen vor „rotgrünem Chaos“ über Engholm als Mann mit „Gummirückgrat“, der „Kommunisten und Neonazis“ in den Staatsdienst holen und „Abtreibung bis zur Geburt freigeben“ will. Mit Telefonaten streute er das Gerücht, Engholm sei AIDS-infiziert, er und seine SPD wollten „straffreien Sex mit Kindern“.

Am Dienstag vor der Wahl will Pfeiffer nach eigenen Angaben von Barschel auch noch die Anweisung erhalten haben, eine „Wanze oder ein ähnliches Abhörgerät“ zu beschaffen. Angebracht nicht im Engholm-Büro, sondern am Telefon des Ministerpräsidenten, sollte die Wanze dort bei einer von Barschel angeordneten Überprüfung als SPD-Werk gefunden werden. Dazu habe Barschel gesagt, wenn das gelingt, dann „sähe Herr Engholm ja wohl schlecht aus“. Später wird Pfeiffer dazu erklären, diese geplante Abhörintrige habe ihn veranlasst, nicht mehr mitzumachen.

Besorgt fragt der amtierende SPD-Bundesvorsitzende Hans-Jochen Vogel am 8. September bei SPD-Landeschef Günther Jansen an, was es mit dem „Spiegel“-Artikel über die Barschel-Aktionen gegen Engholm auf sich habe. Jansen sinngemäß: Es gibt Informationen, dass dies stimmen könne. Vogel darauf: „Um Gottes Willen, das ist doch unmöglich! Seid bloß vorsichtig und macht jetzt im Wahlkampf keinen Fehler!“


Der Kieler Skandal im ersten Überblick

Was Jansen verschweigt: Zu dem Zeitpunkt hatte Pfeiffer bereits selbst die gesamte SPD-Spitze von Schleswig-Holstein über seine Schmutzkampagne informiert, ohne dass ihn jemand aus der SPD aufgefordert hätte, damit aufzuhören. Diese guten Kontakte der SPD zu Pfeiffer liefen als geheime Kommandosache weiter. So entsteht in der Öffentlichkeit der kuriose Eindruck, dass Pfeiffer in direktem Auftrag des amtierenden CDU-Ministerpräsidenten Barschel den ahnungslosen SPD-Kandidaten mit einer nie dagewesenen Schmutzkampagne um einen Wahlerfolg bringen soll. Diese angebliche Wahrheit wird durch Pfeiffer selbst gerade rechtzeitig vor der Wahl am 13. September bekannt. Die Stimmung der Wähler für die CDU schlägt um und bringt der SPD jede Menge Stimmen. So verliert die CDU mit Ministerpräsident Uwe Barschel ihre Regierungsmehrheit im Kieler Landtag. Die SPD legt von 43,7 auf 45,2 Prozent zu, die CDU fällt von 49 auf 42,6 Prozent und die FDP schafft mit 5,2 Prozent (2,2 Prozent) den Sprung in den Landtag.

Noch am Wahlabend behauptet Pfeiffer, er könne alles über den schuldigen Barschel belegen, und der „Spiegel“ versichert: „Die Geschichte ist hundertprozentig wasserdicht.“ Außerdem habe Pfeiffer kein Geld bekommen. In der Wahlnacht betont der in Wirklichkeit längst informierte Björn Engholm mehrfach, dass er unwissendes Opfer der Pfeiffer-Machenschaften sei.

Der erste Untersuchungsausschuss des Kieler Landtags verstärkt zunächst bis zur vorgezogenen Neuwahl den Eindruck von Barschel als Oberbösewicht und Pfeiffer als dessen gehorsames Werkzeug für die Schlammschlacht. Engholm betont immer wieder, von den Pfeiffer-Hintergründen nichts gewusst zu haben. Der SPD-Spitzenkandidat beschwört diese Unwahrheit sogar vor dem Ausschuss. Dass Pfeiffer nach seinen krummen Machenschaften am Ende auch noch bares Geld von der SPD-Spitze bekam, soll selbstverständlich geheim bleiben.

Pfeiffers Aussagen wurden im folgenden Untersuchungsausschuss immer fragwürdiger. Doch das spielt in der öffentlichen Meinung kaum eine Rolle. Es blieb erst einmal dabei: Die Schwarzen sind die Bösen, die Roten die ahnungslos Guten. So gewann Björn Engholm als scheinbar wahrheitsliebender SPD-Spitzenkandidat am 8. Mai 1988 die vorgezogene Neuwahl in Schleswig-Holstein mit 54,8 Prozent. Er wurde als neuer Regierungschef am 29. Mai sogar SPD-Bundesvorsitzender und designierter Kanzlerkandidat.

Was dann geschah, klingt im 21. Jahrhundert mit seiner multimedialen Vernetzung schlicht unglaublich: Nicht nur SPD-Mitglieder, deren Anhänger bis in den Journalismus, sondern die Öffentlichkeit insgesamt hatte genug von den kritischen Veröffentlichungen über Engholm. Er war nun mal Ministerpräsident und Vorsitzender der altehrwürdigen SPD, da sollte es langsam gut sein mit der Kritik über ihn. Schlussstrich unter seine Vergangenheit war angesagt.

Weil ich aber immer neue Belege für Engholms Lügenversion fand, blieb ich trotzdem am Thema dran. Engholm reagierte gereizt, beschwerte sich bei meinem Verleger massiv, diffamierte mich als Kampagnenjournalist „wie in den Nazi-Zeiten“. Auch etliche Genossen verlangten, es müsse endlich Schluss sein. Doch Verleger Alfred Neven DuMont blieb gelassen und ließ mich im „Express“ weiter arbeiten, auch am Thema Engholm. So notierte ich, dass der Barschel-Mitarbeiter Pfeiffer bereits am 22. April 1987 und damit Monate vor der Barschel-Abwahl dem Bremer Finanzsenator Claus Grobekker (*1935, SPD-Finanzsenator bis 1991) erklärt hatte, er sei in der Kieler Staatskanzlei beschäftigt und suche einen Kontakt zur SPD. Mit Erfolg. In vier Gesprächen (am 16., 21., 27. Juli und am 3. August 1987) offenbarte Reiner Pfeiffer seine üblen Wahlkampfmethoden in angeblichem Barschel-Auftrag ausführlich dem Kieler SPD-Sprecher Klaus Nilius und in weiteren Gesprächen die anderen SPD-Oberen.

Am 18. September beteuert Barschel über vier Stunden vor der Presse seine Unschuld, bekräftigt dies durch eine siebenseitige Erklärung an Eides statt und erklärt in die Mikrofone: „Über diese Ihnen gleich vorzulegende eidesstattlichen Versicherungen hinaus gebe ich Ihnen, gebe ich den Bürgerinnen und Bürgern des Landes Schleswig-Holsteins und der gesamten deutschen Öffentlichkeit mein Ehrenwort, ich wiederhole: Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind.“

Danach verkündet Engholm wahrheitswidrig in seiner Pressekonferenz: „Wir haben das nachgeprüft. Es gibt weder beim Landesvorstand, noch beim Fraktionsvorstand, noch bei mir, noch sonst wo eine erkennbare Anlaufstelle für Pfeiffer.“

Barschel tritt als Ministerpräsident zurück, beteuert aber weiter, Pfeiffer nicht mit den Schmutzkampagnen beauftragt zu haben und verbringt Anfang Oktober einen Urlaub auf Gran Canaria.

Am 11. Oktober gehen die beiden „Stern“-Reporter Sebastian Knauer und Hanns-Jörg Anders (Fotograf) durch die offene Tür in das Zimmer Nummer 317 im Genfer Hotel „Beau-Rivage“. Dort sehen sie kurz vor ein Uhr durch die halboffene Badezimmertür den toten Uwe Barschel bekleidet in der Badewanne. Die Reportage mit dem Foto geht um die Welt. Nach dem offiziellen Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen hat sich Barschel mit Medikamenten das Leben genommen, aber Zweifel daran werden nie ganz ausgeräumt. Noch Jahrzehnte danach gibt es Meldungen über Geheimdienste und Waffenlieferungen, die als Hintergrund für den Barschel-Tod herhalten sollen. SPD-Bundesgeschäftsführerin Anke Fuchs erklärt direkt nach dem Tod: „Barschel war wohl dem Druck nach dem Aufdecken der Affäre nicht mehr gewachsen gewesen. Sein Tod sollte uns Anlass sein, über den Umgang miteinander, den politischen Stil und die politische Kultur unserer Demokratie nachzudenken.“

Am 14. Oktober erfahre ich aus Schweitzer Polizeikreisen, dass es dort ein Foto gebe, auf dem Pfeiffer im Gespräch mit SPD-Landeschef Günther Jansen zu sehen ist. Dieses Foto habe ein Mann mit Tarnnamen „Robert Roloff“ Barschel in Genf übergeben. Damit habe dieser möglicherweise die Aktionen seines Referenten Pfeiffer als Komplott enttarnen wollen. Die Meldung sorgt in der SPD für Unruhe. Hatte doch Barschel in seinen letzten Telefonaten aus Genf mit seiner Frau Freya und seinem Bruder Eike „ganz begeistert von Beweisen seiner Unschuld und von einem Komplott politischer Gegner“ gesprochen, die er „möglicherweise enttarnen könne“.

Im Oktober fasst Wolfgang Kubicki (damals noch stellvertretender FDP-Fraktionschef, später Fraktionschef im Kieler Landtag) zusammen, was Engholm noch jahrelang leugnen wird: „Wir fordern Björn Engholm jetzt glasklar auf, sich an seine eigenen Worte zu erinnern. Dann bleibt ihm nur der Rücktritt als Spitzenkandidat. Denn juristisch und menschlich gilt: Wer wissentlich gegen sich selbst schmutzige Tricks geschehen lässt, ohne einzugreifen, ist kein Opfer, wie Engholm gern von sich behauptet. Es passte vielmehr der SPD in ihre Strategie, die CDU am Ende des Wahlkampfes als Dreckschleuder zu entlarven.“ Und mehr noch: „Führende SPD-Mitglieder haben, nach Pfeiffers eigenen Angaben, ihm zur Seite gestanden, obwohl dieser seinen ersten Auftrag von der CDU hatte. So was nennt man nicht nur im Krimi Doppelagent.“

Mitte Februar 1988 erfahren wir, dass Pfeiffer 165.000 D-Mark vom „Spiegel“ kassiert hat. Am 10. November 1988 übergibt Nilius an Pfeiffer mindestens 25.000 D-Mark, die SPD-Landeschef Günther Jansen nach eigenen Angaben über Monate in kleineren Beträgen in der Schublade gesammelt haben will. Daraus entsteht das Wort von der „Schubladenaffäre“. Trotzdem kann Engholm seine Karriere weiter auf dem Fundament seiner Lüge ausbauen.

Im August 1992 treffen wir (inzwischen als Redakteure der „Bild am Sonntag“) den Ministerpräsidenten und SPD-Chef Björn Engholm im Kieler Restaurant „Damper“ zum Interview mit Abendessen. Bei merkwürdig zerschnittenem (statt filetiertem) Fisch, Wein und Bier geht es um Asylgesetze und soziale Gerechtigkeit. Barschel und Co. sollten nach eindringlichem Hinweis der Parteisprecher tabu sein. Doch am späteren Abend fragen wir höflich, wie es denn war, als er damals von den Pfeiffer-Machenschaften erfuhr. Zu meinem Chefredakteur Michael Spreng gewandt, meint Engholm sinngemäß, als darüber gesprochen wurde, sei er „in einer existenziellen Krise“ gewesen. Mehr will er nicht sagen. Meine unbewiesene Vermutung läuft darauf hinaus, dass er wohl zum Zeitpunkt der ersten Information ein paar Gläser getrunken hatte und deshalb in einer Art Bewusstseins-Grenzbereich die Bedeutung nicht realisierte und dann konsequent verdrängte. Mit Erfolg, bis er fünf Jahre nach seiner Lügen-Aktion zur Kanzlerkandidatur greift. Da wird es plötzlich für die Öffentlichkeit wieder interessant, Details aus dem wahren Leben des Möchtegern-Kanzlers zu erfahren. Die Chance habe ich natürlich genutzt.

Anfang März 1993 erklärt mir Wolfgang Kubicki (inzwischen FDP-Fraktionschef): „Engholm will die Bevölkerung für dumm verkaufen.“ CDU/CSU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble meint: „Erst hieß es, Engholms engste Mitarbeiter hätten sich nicht getraut, ihren Chef einzuweihen, weil dieser solche problematischen Informationen nicht verkraften könne. Dann gesteht der Ministerpräsident unter dem Druck der Öffentlichkeit, dass er doch etwas wusste, aber keinen Handlungsbedarf gesehen habe. Engholm disqualifiziert sich damit selbst als Ministerpräsident und Kanzlerkandidat.“

Andere Medien haken nach. Engholm gesteht am Hessen-Wahlabend dem Sender VOX auf die Frage, ob die Affäre Pfeiffer/Jansen ihn als Kanzlerkandidaten beschädigt habe: „Objektiv kann man das nicht leugnen.“ Die Verwicklungen würden „nicht ohne Folgen bleiben“.

Ende April meldet auch der „Spiegel“, dass Engholm über die Machenschaften des Reiner Pfeiffer, früher als bisher zugegeben, gewusst hat und darüber den Untersuchungsausschuss falsch informiert habe.

Anfang Mai gesteht Engholm in der „BamS“ seine Lügengeschichte, die er für eine „Petitesse“ gehalten habe und erklärt am 3. Mai seinen Rücktritt von allen Ämtern. Mehr dazu im Anhang unter „Waterkantgate 1987–1993“.

Der Griff in die Staatskasse

Andere Fälle von Amtsmissbrauch verliefen zwar nicht so langwierig, waren aber auch nicht ohne. So geriet Anfang August 1990 Berlins Regierender Bürgermeister Walter Momper (SPD) mit Gratisflügen in die Schlagzeilen. DDR-Verteidigungsminister Rainer Eppelmann (CDU) hatte ihm Honeckers Luxus-Hubschrauber gleich mehrmals kostenlos zur Verfügung gestellt, obwohl die Flugstunde normalerweise 4.611 D-Mark kostete. Mit an Bord Ehefrau und Freunde. Und da waren noch die Gratis-Flüge von Klaus Wowereit (SPD, *1953, Berlins Regierender Bürgermeister ab 2001), die meine findigen BZ-Kollegen 2012 beschrieben. Demnach hatte Wowereit nicht nur wie Christian Wulff Urlaub auf der spanischen Finca von Party-König Manfred Schmidt verbracht, sondern war auch im Privatjet von Unternehmer und Ex-Bahnchef Heinz Dürr nach London geflogen. Demnach kostete die Cessna 525 (Kennzeichnen S-IAME) auf der Strecke Berlin-London/Luton-Berlin am 13./14. Juli 2002 ganze 5.625 Euro. Senatssprecher Meng: „Da Herr Wowereit für die Kosten des Fluges mit Herrn Dürr nicht bezahlen musste, hat er privat den Preis eines Linienfluges nach London über 300 Euro einem guten Zweck gespendet, dem Beratungszentrum für Schwule ,Mann-o-Meter‘.“ Dann wuchs Gras darüber.

Weit höhere Wellen schlug ein Diätenskandal in der DDR-Volkskammer. Deren Präsidentin Sabine Bergmann-Pohl31 schickte Bundeskanzler Helmut Kohl ein Fax („Eilt sehr!“) mit Kopie an DDR-Chefunterhändler Günther Krause (nach der Wiedervereinigung CDU-Verkehrsminister) und den Bonner Unterhändler Wolfgang Schäuble. Als amtierendes Staatsoberhaupt der DDR warnte sie vor den Folgen, wenn nach der Wiedervereinigung am 3. Oktober nur 144 Volkskammerabgeordnete in den gesamtdeutschen Bundestag einziehen, aber die restlichen 256 vorzeitig „ausscheiden und ihre Rechte als Abgeordnete verlieren“. Unverblümt drohte sie, dies könne zu Verärgerungen und „Unsicherheiten für die Schlussabstimmung über den Einigungsvertrag“ führen. Deshalb empfahl sie „dringend“ allen Volkskammerabgeordneten den gewohnten Status „bis zum 2. Dezember 1990“ zu sichern. Das würde ihnen die Einnahmen von 5.900 D-Mark (plus 2.300 DM Kostenpauschale und 3.600 DM Entschädigung) um zwei Monate verlängern. Kostenpunkt für den deutschen Steuerzahler:


Damit war der große Karriere-Traum zu Ende

3.020.800 D-Mark. Bundeskanzler Helmut Kohl und sein Innenminister Wolfgang Schäuble waren sich sofort einig, dass eine Verlängerung des Abgeordneten-Status’ für alle nicht infrage kommt. Ein Freund gab mir eine Kopie des Erpressungsschreibens, das wir am 16. September als Faksimile veröffentlichten. Alle Nachrichtensender griffen den Skandal auf, Bergmann-Pohl schlug eine Welle der Empörung entgegen. Der innenpolitische Sprecher der FDP, Burkhard Hirsch, sagte mir: „Wenn Bonn darauf eingehen würde, bekäme die Abstimmung DDR den Makel, gekauft zu sein. Das wäre unerträglich. Dieses Schreiben von Frau Bergmann-Pohl wird in die deutsche Parlamentsgeschichte als Negativbeispiel eingehen.“ Damit waren alle Hoffnungen für Frau Bergmann-Pohl begraben, als Nachfolgerin von Rita Süssmuth32 Bundestagspräsidentin zu werden.

Allerdings kam auch Rita Süssmuth schon bald nach ihrer Wiederwahl in Negativschlagzeilen. Anfang März 1991 fanden Kollegen des Magazins „Stern“ heraus, dass ihr Mann mehrmals am Steuer des präsidialen Dienst-Mercedes saß. Schnell wurde daraus ein Streit zwischen den politischen Parteien, zumal sie gerade für eine Gesetzesänderung stritt, damit Abtreibung nicht länger wie bisher unter Strafe gestellt bleibe.

Da die Vorwürfe vom Ehemann am Steuer des Dienstwagens in allen Details auf dem Markt waren, gab es für die nächste Sonntagsausgabe nichts mehr zu holen. Also entschied ich mich für die umgekehrte Variante nach dem Motto: Jetzt redet die Angeschuldigte exklusiv. Als Begleitmusik gaben wir eine Umfrage in Auftrag: Nach dem Ergebnis des Meinungsforschungsinstituts Forsa hielten es 68 Prozent für möglich, dass die Vorwürfe gegen Rita Süssmuth von politischen Gegnern hochgespielt wurden, um sie wegen ihrer abweichenden Ansichten in Misskredit zu bringen. Nur 24 Prozent der 1.014 Befragten hielten das nicht für möglich. Überraschend: Noch nicht einmal ein Fünftel der Wahlberechtigten (17 Prozent) hielten die Dienstwagenaffäre für so schwerwiegend, dass die Bundestagspräsidentin deshalb zurücktreten müsse. 77 Prozent sagten, für einen Rücktritt bestehe kein Anlass. 40 Prozent glaubten allerdings, dass durch die Affäre die Glaubwürdigkeit der deutschen Politik weiter Schaden leide. 53 Prozent fürchteten keinen weiteren Schaden.


Rita Süssmuth besucht die „BamS“-Parlamentsredaktion

Genau dazu wollte ich mein Interview führen. Rita Süssmuth kam wie meistens eine halbe Stunde zu spät. Dann lief das Bandgerät. Zumindest glaubte ich das. Doch am Ende war nichts drauf. Erstmals in meiner Laufbahn. Also rekonstruierte ich nach meinen kurzen Notizen ihren O-Ton: „Natürlich würde ich mich als Bürger empören, wenn ich so etwas lese. Aber das hat mit den Tatsachen nichts zu tun. In Wirklichkeit handelt es sich um eine durchsichtige Kampagne gegen mich – nicht mehr und nicht weniger.“ Nein, den Dienstwagen habe ihr Mann nie privat genutzt, sondern: „Mein Mann hat mich häufig gefahren. Er hat für mich mit dem Dienstwagen den Chauffeur gespielt – wenn ich zum Beispiel in meinem Wahlkreis zu Veranstaltungen musste; oder er ist gefahren, wenn er in meinem Auftrag an politischen Veranstaltungen teilgenommen hat. Dadurch haben wir oft den Fahrer gespart.“

Das kam an, der Sturm legte sich. Bis der nächste kam. Plötzlich wurden ihre Flüge mit der Flugbereitschaft der Bundeswehr zu ihrer Tochter in die Schweiz bekannt. Ein Freund spendierte mir die Daten aus den Unterlagen der Flugbereitschaft. Demnach war die damalige Bundestagspräsidentin im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis 8. Juni 1996 insgesamt 152,55 Stunden mit Bundeswehrmaschinen unterwegs. Dabei entstanden Betriebskosten in Höhe von 1,283 Millionen D-Mark. Der damalige Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, verlangte eine Prüfung der Süssmuth-Flüge durch die Finanzbehörden: „Das für Frau Süssmuth zuständige Finanzamt sollte prüfen, ob die Flüge von Frau Süssmuth zu privaten Treffen mit ihrer Tochter als geldwerter Vorteil zu zählen und damit zu versteuern sind. Schließlich gilt genau dieses Prinzip für jeden Steuerzahler, der seinen Dienstwagen auch privat nutzt. Mit dieser Frage sollte sich zumindest das Finanzamt auseinandersetzen, das die Steuererklärung von Frau Süssmuth prüft.“ Doch dann sprang ihr Bundestagsvizepräsident Hans-Ulrich Klose (SPD) zur Seite. In seinem Bericht für den Ältestenrat des Bundestags kam er zu dem Ergebnis, Frau Süssmuth habe „die Flugbereitschaft nur zu dienstlichen Anlässen in Anspruch genommen“. Denn in der Schweiz gab es nicht nur die Tochter, sondern auch Hinweise auf rein zufällig dort zeitgleich mit dem Tochterbesuch stattfindende Redaktionsbesuche und ähnliche Diensttermine. Wieder davongekommen.

Als Konsequenz schlug der Bundesrechnungshof dem Haushaltsausschuss eine Neuregelung vor: „Grundsätzlich sollen Dienstfahrzeuge nur noch für Dienstfahrten genutzt werden.“ Das sollte auch für Minister gelten. Doch daraus wurde nichts. Es blieb dabei, Minister sind immer im Dienst und dürfen immer mit dem Dienstwagen fahren.

Das nahm auch Ulla Schmidt33 in Anspruch. Die SPD-Gesundheitsministerin ließ sich sogar im Spanienurlaub gern vom Fahrer in ihrer Dienstlimousine chauffieren. Natürlich musste dieser dazu eigens auf Staatskosten anreisen (auch mit seinem Sohn an Bord) und in der Urlaubsregion schöne Tage verbringen.

Peinlich aufgeflogen ist das Ganze, als spanische Medien im Juli 2009 meldeten, dass die sozialdemokratische Ministerin aus Deutschland bei der spanischen Polizei den Diebstahl ihres Dienstwagens (Mercedes S-Klasse) gemeldet habe. Zwei Tage später erklärte ihr Ministerium dem verblüfften Berlin, sie habe den Wagen im Urlaub „privat und dienstlich genutzt“. Die Ministerin selbst meinte zur Begründung: „Ich habe in Spanien Deutschland repräsentiert.“ Dazu hatte sie das Auto samt Fahrer ganze 72 Kilometer dienstlich genutzt. Dann kamen immer neue Details ans Licht. Plötzlich gestand sie, dass im letzten Jahr ein Verwandter von ihr im offiziellen Dienstwagen zu ihrem Urlaubsort nach Südspanien gefahren ist. Ulla Schmidt versprach: „Ich persönlich würde die gleiche Entscheidung nicht noch einmal treffen, weil es trotz einer korrekten Anwendung der Richtlinien solche Debatten gibt.“ Und schon war sie aus dem Schneider.

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25 mayıs 2021
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9783954628513
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