Kitabı oku: «Pit Summerby und die Magie des Pentagramms», sayfa 3

Yazı tipi:

Bingo meldete sich. Er habe gehört, dass in einer spanischen Region Schweine mit den Eicheln größerer Eichenhaine aufgezogen werden. Die Schweine lebten dort in freier Natur und müssten sich ihre Nahrung selbst suchen. Dadurch wüchsen sie langsamer, ihr Fleisch wäre aber dann besonders zart und hätte einen exzellenten Geschmack. Der daraus hergestellte Schinken sei bei Kennern in der ganzen Welt sehr beliebt, wäre aber so teuer, dass sich nur Millionäre den Genuss leisten könnten. Frau Zacher zeigte sich beeindruckt und sagte das auch. Sie konnte Bingos Beitrag nicht bestätigen, weil sie darüber noch nichts gehört hatte.

„Ich weiß, Henning, dass man früher die Schweine mit Eicheln gefüttert hat und dass Wildschweine heute noch gern nach Eicheln graben. Ihr seht, mein Wissen über Eichen ist auch nicht vollständig. Es gibt sicherlich noch viel Unbekanntes, das man erforschen könnte. Ich werde euch am Ende der Stunde dazu einen Vorschlag machen“,

versprach sie. Als das Stichwort ‚Eichel’ fiel, meldete sich Locke ununterbrochen.

„Na, was hast du zum Thema ‚Eichel’ zu sagen?“,

sollte sie jetzt darlegen.

„Ich habe gehört, dass die Jungen da unten an ihrem Ding etwas haben, was man auch Eichel nennt, oder?“

Sie schaute herausfordernd in die Runde und kicherte. Einige Kerle johlten kurz, hörten aber sofort wieder auf, weil sie auf die Antwort der Lehrerin lauerten.

„Eigentlich müsstest du Bescheid wissen, Floriane. In der sechsten Klasse haben wir bereits über die Geschlechtsmerkmale von Mann und Frau gesprochen. Das Ding da unten heißt Penis, und der vordere Teil wird wegen seiner Form Eichel genannt. Möglicherweise hast du da gefehlt oder nicht aufgepasst“,

antwortete sie im sachlichen Ton. Locke errötete und senkte beschämt ihren Kopf. Sie schwieg. Die Blamage schien ihr unter die Haut gefahren zu sein. Mit einem Lächeln lenkte Frau Zacher das Gespräch auf die in Deutschland am meisten beheimatete Eichenart. Sie schrieb an die Tafel ‚Die Stieleiche‘ und darunter in Klammern ‚lat. Quercus robur'. Dann erklärte sie, dass dieser Baum wegen seiner Robustheit als Symbol für Stärke, Ausdauer und Standfestigkeit galt und gilt, daher auch die Bezeichnung ‚robur’; und dass es darüber auch deutsches Liedgut gäbe und dass er bereits im 12. Jahrhundert zum deutschen Wappenbaum erklärt wurde. Kaum Einer wusste darüber etwas. Ein Großteil davon interessierte sich vermutlich auch jetzt nicht für diese Tatsache. Davon ging ebenfalls die Lehrerin aus. Sie forderte deshalb im nächsten Stundenabschnitt von der Klasse, mittels Lehrbuch folgende Schwerpunkte herauszuarbeiten:

-Kurze Beschreibung der Stieleiche

-Verbreitungsgebiete in Deutschland

-Nutzung früher und heute

Die Aufgabe erwies sich nicht als besonders schwierig, weil im Buch sowieso nur das Wesentlichste stand. Die Mehrzahl bearbeitete schon den zweiten Punkt, als sich Meli meldete.

„Frau Zacher, was ich nicht verstehe“,

fragte sie,

„wenn die Stieleiche eine typischen deutsche Eiche ist und noch dazu Symbolbaum der Deutschen, warum gibt es bis auf die ‚Alte Eiche' in der Werlaaue weit und breit keine Eichen?“

„Das stimmt so nicht, in den Laubwäldern des nahen Kurlandes ist sie vereinzelt vertreten. Dass es hier keine Eichenwälder mehr gibt, hat einen Grund. Die Eiche galt bei den Germanen als Sitz des Donnergottes Donar und wurde als religiöser Baum verehrt. Im Zuge der Christianisierung ließ der ‚Heilige Bonifatius‘ als Apostel der Deutschen im Jahr 725 die so genannte Donareiche bei Fritzlar fällen, um den zu bekehrenden heidnischen Germanen zu beweisen, dass ihr Gott ohnmächtig sei und sie nicht schützen könne. Danach wurden noch viele Eichen gefällt, so dass man sie in manchen Regionen gar nicht oder nur selten antrifft.“

Diese Antwort hatte keiner erwartet. Bei einigen erweckte sie deshalb Neugier und Interesse. Für Pit eröffnete sich eine neue Dimension. Er wollte sofort noch weitere Fragen stellen. Die Lehrerin blockte aber ab, ließ sich von Anne, Bingo und Fauli den Inhalt ihrer Ausarbeitungen vortragen, korrigierte kurz und ordnete an, zu Hause das Ganze noch einmal gründlich in Augenschein zu nehmen. Dann kündigte sie an, in der Projektwoche wäre es bestimmt von Bedeutung, wenn man zu dem von ihr geplanten Vorhaben ‚Alte Eiche' solide Grundkenntnisse zusammen trüge. Sie würde es selbst betreuen und dazu die entsprechenden Aufgaben im Schaukasten des Flures aushängen. Flori sollte als Klassensprecher Interessierte in einer Liste erfassen und diese bis Freitag bei ihr abliefern. Damit beendete sie die Stunde. Keiner maulte darüber, dass die Stunde bereits mit zwei Minuten über der Zeit lag.

Henning von Schambach stürzte zur Klassentür und hielt Frau Zacher auf.

„Zu Hause haben wir noch eine große Scheibe, die irgendjemand mal aus einem Eichenstamm geschnitten hat. Kann ich die zur Projektwoche mitbringen.“ „Selbstverständlich, damit kann man viele Dinge über den Baum erfahren.“

„Bingo, das mach ich!“,

lautete seine übliche Reaktion und öffnete ihr galant die Tür. Er quittierte alles, was er verstanden hatte oder seine Zustimmung fand, mit ‚Bingo’. Folgerichtig gab man ihn diesen Beinamen, den er auch widerspruchslos akzeptierte. Ansonsten forderte er nichts ein, was auf seine adlige Herkunft schließen ließ. Er trug ziemlich abgewetzte Jeans und zerschlissene Sportschuhe. Seine T-Shirts, oft genauso ausgewaschen und zerknittert wie die der anderen, deuteten eher auf eine ärmliche Abstammung. Seine natürliche Art kam bei Gleichaltrigen und Lehrern sehr gut an. Heimlich versuchten einige Mädchen und Jungen, seine Höflichkeit und galante Art zu übernehmen, was mitunter in einer lächerlichen Pose endete. Seinem Vater, Baron Baldur von Schambach, gehörte das Rittergut, etwas außerhalb des Dorfes gelegen. Seine Mutter stammte aus dem Dorf. Im Ort sprach man immer noch respektvoll von Herrn Baron und Frau Baronin, so wie man es von früher kannte. Bingos Eltern hörten das gar nicht gern, sie wollten Gleiche unter Gleichen und für die Kinder im Dorf Herr und Frau Schambach sein sowie für die Älteren Baldur und Ruth. Auf ihren Äckern betrieben sie ökologischen Landbau und hatten den größten Teil der Ländereien in der Gemarkung Burgroda unterm Pflug. Außerdem besaßen sie im Kurland einige Hektar Laub- und Nadelwald. In ihrem schönen großen Anwesen gab es schon seit einigen Jahren einen Hofladen, in dem sie ihre eigenen landwirtschaftlichen und auch Ökoprodukte anderer Erzeuger der Region anboten. Der Laden erfreute sich inzwischen einer großen Beliebtheit. Viele Kunden von außerhalb des Kreises kamen jetzt häufiger zum Einkaufen. Auch Pits Eltern und seine Großmutter gehörten zu der Käuferschar. Seine Oma holte jeden Montag frische Milch und Sahne von dort.

Doch zurück zur Schule. Die vierte Stunde verlief wie immer. Frau Helmer, sie unterrichtete Religion und das Fach Wirtschaft/Technik, beabsichtigte heute im Rahmen des W -Te-Unterrichts die gesunde Ernährung zu thematisieren. Zunächst lamentierte sie über das maßlose Essen vieler Menschen in der heutigen Zeit und die damit verbundenen gesundheitlichen Schäden. Es würde Milliarden kosten, um die Spätfolgen dieser falschen Ernährungsweise zu behandeln. Die Ausgaben müssten ja alle tragen, auch die Vernünftigen. Sie schickte einen strafenden Blick in Dickis Richtung. Außerdem ergänzten Bewegungsmangel und der zunehmende Konsum von Alkohol und Tabak diese Tendenz. Die drei rauchenden Mädchen aus der Frühstückspause guckten sich viel sagend an. Nicki errötete, das fiel sogar der Lehrerin auf.

„Dich plagt wohl dein schlechtes Gewissen, Nicola?“,

mahnte sie mit ironischem Unterton, wollte dieses Problem aber nicht weiter ausbauen. Vielmehr leitete sie über zum eigentlichen Ziel der Stunde. Als Beitrag zur gesunden Ernährung hatte sie ‚Müsli’ ausgesucht. Wer es erfunden hatte, wusste keiner, auch die Lehrerin nicht. Einige aßen es als erstes Frühstück mit Milch oder Fruchtsaft. Sie schrieben die Zutaten, die sie kannten, an die Tafel. Man könne auch Frischobst und Möhren ergänzen, schlug Nicki vor, um ihr schlechtes Gewissen zu erleichtern. Dieser Hinweis wurde von der Lehrerin lobend quittiert. Sie lenkte dann weiter auf die Frage, mit welchen Bestandteilen man bestimmte Wirkungen erzielen könne. Die Schüler rätselten, eine befriedigende Lösung wurde nicht gefunden. Deshalb unterbreitete sie der Klasse einen Vorschlag. Im Rahmen einer Projektarbeit könne man doch Müsli-Rezepte entwickeln. Sie regte an, eins für Kraft und eins für gute Laune zu erfinden, die man am Ende der Projektwoche mit einer großen Verkostung vorstellen könne. Wider Erwarten stieß dieser Vorschlag sofort auf Begeisterung. Nicki, Dicki und Bingo erklärten sich sofort zum Mitmachen bereit.

„Ich habe schon eine interessante Idee“,

verkündete Bingo ungefragt. So euphorisch, wie er sich aufführte, schenkte ihm Frau Helmer entgegen allen Regeln Gehör.

„Erzähle!“,

forderte sie.

„Wenn wir die Rezepte erfunden haben, bieten wir die Müsli in unserem Hofladen an. Die können wir ja selber herstellen. Den Erlös tun wir in die Klassenkasse.“

Seine Idee wurde freudig beklatscht. Sogar Giuseppe wollte jetzt mitmachen. Die Lehrerin fand den Tipp hervorragend, sie wies aber noch auf ein paar Hürden hin, die genommen werden müssten. Wichtig wäre, die Wirkung der einzelnen Müsli-Bestandteile zu erforschen. Ein Problem, das noch intensive Arbeit bedeute. Dann bräuchte man sicherlich auch das Einverständnis von Bingos Eltern. Es gäbe auch noch behördliche Vorschriften.

„Meine Mutter regelt das schon“,

versicherte er, um die Begeisterung nicht zu dämpfen. Man erarbeitete schließlich einen Plan. Zuerst sollte zu Wochenbeginn in der Schulbibliothek und im Computerraum über Internet die Wirkungsweise verschiedener Komponenten erforscht werden. Vorarbeit am eigenen PC wäre dazu erwünscht. Die Planung sah vor: Mittwoch - Finden geeigneter Rezepturen; Donnerstag - kleine Verkostung im Rahmen der Gruppe; Freitag - Verteidigung des Projekts mit großer Verkostung vor der Jury.

Die Stunde ging zu Ende. Frau Helmer, die auch als Konrektorin fungierte, gab noch Folgendes bekannt: Durch eine Planänderung müssten die Sportstunden in der sechsten und siebenten um eine Stunde vorgezogen werden. Die zweite große Hofpause würde deshalb jetzt stattfinden. Danach sollte sich die 7b vor der Turnhalle einfinden. Die Mitteilung wurde mit Jubel aufgenommen. Jetzt befand sich die Klasse allein auf dem Schulhof. Die Clique suchte ihren gewohnten Platz auf. Diesmal kamen Bingo, Anne und Flori dazu, was Fauli sehr freute. Die Mädchen gesellten sich aber dann zu Mia, die abseits auf einer Bank saß. Die Jungen diskutierten heftig über die Projekte. In ihrer Euphorie verpassten sie beinahe den Beginn der Sportstunden. Diesmal wagte es auch niemand, vor dem Schulhof zu rauchen. Nicki saß die Lektion der Lehrerin in den Gliedern. Sie befürchtete Konsequenzen. In Zukunft wollte sie sich nicht mehr verleiten lassen.

Madam Ruck-Zuck empfing sie am Sportfeld der Schule und öffnete zum Umziehen die Turnhalle. Danach sollte die Klasse draußen in einer Reihe antreten, also das übliche Ritual. Wie immer ließen sich einige mit der Aufstellung Zeit. Mia als kleinste, stand am Ende, sie hatte ein Dauerattest und musste das Klassenbuch bewachen. Die Lehrerin ließ durchzählen.

„Ihr seid doch 23 Leute, warum fehlt jemand?“,

fragte sie. Erst seit einem halben Jahr aus der Babypause zurück, kannte sie die Klasse noch nicht so gut, sonst hätte sie gleich Lockes Abwesenheit bemerkt. Nach dem Vermerk wandte sie sich an die Klasse.

„Wir laufen jetzt eine Runde, um uns aufzuwärmen.“

„Ruck-Zuck!“

bedeutete bei ihr das Startsignal, das ihr auch den Spitznamen eingebracht hatte. Sie lief seitlich mit und munterte unterwegs Dicki und einige andere lahme Enten auf, sich etwas flotter zu bewegen. Die Wärme des Tages tat ein Übriges. Sie brach deshalb den Lauf vorzeitig ab, weil die ersten schlappmachten. Die warfen sich jetzt froh ins Gras. Nach einem Blick in ihr Notizbuch rief sie eine Handvoll Namen auf und erklärte:

„Mit euch muss ich einige Übungen nachholen und auch noch prüfen. Die restlichen Schüler gehen zum Volleyballplatz und spielen Völkerball. Ihr kennt die Spielregeln. Florian bestimmt die Spielführer und diese losen die zuerst werfende Mannschaft aus. Danach macht er den Schiedsrichter.“

Das gefiel ihm weniger, er hätte gerne mitgespielt, fügte sich aber. Das aufgetragene Amt versprach ja auch interessant zu werden. Er bestimmte jeweils Meli und Pit für diese Aufgabe. Durch Werfen der Münze, bekam Meli als Erste den Zug. Sie wählte Stinki, Pit nahm Fauli. So ging es weiter. Dicki wurde schon als Dritter genommen. Obwohl er einen beträchtlichen Körperumfang besaß, agierte er bei solchen Spielen wieselflink. Das machte ihn zu einem begehrten Spieler. Giuseppe kam als Letzter in Pits Mannschaft. Er hätte gern auf diese sportliche Lusche verzichtet, doch das ließ die Zahlengleichheit nicht zu. Jede Mannschaft musste jetzt noch ihren König bestimmen. Nach kurzer Beratung einigte man sich auf Meli und Pit, eine Konstellation, von der niemand ahnte, dass sie einmal tief greifenden Folgen haben würde. Flori nutzte erneut die Münze, um den ersten Wurf auszulosen. Pits Mannschaft bekam den Zuschlag und durfte auch das Spielfeld wählen.

Nach der Spieleraufstellung gingen auch Meli und Pit in ihre jeweiligen Außenfelder. Fauli warf als Erster, traf aber niemanden. Pit nahm den Ball auf und zielte auf Stinki, der aber fing ihn, drehte sich blitzschnell und traf Giuseppe. Nach einer Viertelstunde verfügte Pit nur noch über zwei und Meli über vier Feldspieler. Draußen im „Aus“ feuerten alle ihre Mannschaften mit lautem Geschrei an. Sie merkten nicht, dass sich zwei Typen aus den Achten näherten. Das Duo stellte sich neben Mia, die seitlich im Gras saß, und begann sie zu hänseln. Flori bemerkte, dass sie zunehmend aggressiver wurden und das Mädchen mit zotigen Ausdrücken bedachten. Die schaute Hilfe suchend zu ihm hin, hatte Tränen in den Augen. Allein war er machtlos, deshalb unterbrach er das Spiel. Einigen schien inzwischen auch aufzufallen, dass etwas nicht stimmte. Meli, Pit, Stinki und Fauli kamen sofort gelaufen und hinderten die Beiden, sich weiter unflätig zu äußern.

„Verpisst euch“,

zischte Stinki,

„und lasst die Mia in Ruhe!“

„Das musst du muffelndes Schwein uns gerade sagen“,

provozierte einer der Kerle. Der Beschimpfte lief puterrot an, sprang vor und packte den Fiesling am Kragen. Inzwischen bildete sich ein dichter Kreis um die Grobiane. Stinki wurde zurück gestoßen. Pit fing ihn auf.

„Was wollt ihr blöden Siebenschläfer eigentlich?“,

schrieen sie jetzt mutig geworden und wollten handgreiflich werden. Flori, Bingo, Pit sowie Fauli standen aber wie eine Mauer vor ihnen. Die Großmäuligkeit der Beiden erhielt so einen Dämpfer. Sie wichen etwas zurück. Der Tumult weckte auch die Aufmerksamkeit von Frau Stieler. Sie kam gelaufen.

„Was geht hier vor?“,

wollte sie wissen.

„Die Siebenschläfer bedrohen und beleidigen uns. Wir wollten nur beim Spielen zugucken“,

log einer und schaute dreist in die Runde.

„Das stimmt nicht!“

protestierten die anderen. Die Lehrerin verschaffte sich Platz und bot ihnen Paroli.

„Eure Glaubwürdigkeit ist hinlänglich bekannt. Für eure Schandtaten und unflätigen Sprüche seid ihr ja schon lange berühmt. Ich werde die Wahrheit rauskriegen. Auf jeden Fall seid ihr ein Thema in der Jahresabschlusskonferenz und das könnte Folgen haben.“

Sie machte mit der Hand ein eindeutiges Zeichen, sofort zu verschwinden. Als sie zögerten, wurde sie energischer:

„Macht euch vom Acker, aber sofort, Ruck-Zuck!“

Langsam begriff das Duo wohl seine Ausweglosigkeit und schlurfte mürrisch davon. In einiger Entfernung hörte man es kurze Zeit später hämisch lachen, johlen und grölen. „Blöde Ziege“ gehörte noch zu den harmlosesten Ausdrücken, die es krakeelte.

Die Stiehler nahm es gelassen hin und ging zu Mia. Sie erkundigte sich nach ihrem Befinden. Doch Meli hatte sie schon getröstet.

„Ihr wart ja eben Zeuge, was die Beiden noch gebrüllt haben. Ich hoffe, ihr bestätigt mir das, wenn ich den Vorfall beim Rektor zur Sprache bringe“,

wandte sie sich an die am Nächsten stehenden Schüler. Einige nickten.

„Spielt jetzt weiter!“,

forderte sie noch und ging, auf das übliche ‚Ruck-Zuck‘ verzichtend. Das ‚Madame' in ihrem Spitznamen stammte aus dem Französischunterricht, weil sie sich da so anreden ließ. Als sie zufällig mitbekam, wie sie ein Schüler hinter vorgehaltener Hand als ‚Madame Ruck-Zuck’ bezeichnete, lachte sie schallend und bestätigte, dass sie nichts gegen diese Bezeichnung hätte. Fortan hörte sie sogar auf diesen Namen; nur bei übler Laune ließ sie sich mit ‚Frau Stiehler’ anreden.

Langsam kehrten die Mannschaften ins Spielfeld zurück. Man hatte sich vorher geeinigt, dass es an der Zeit wäre, den beiden Schwachköpfen eine Lektion zu erteilen. Auf jeden Fall wollte man die zotigen Sprüche über die Lehrerin bestätigen. Der übliche Schülergrundsatz, andere Schüler bei irgendwelchem Blödsinn nicht zu verpfeifen, galt in diesem Fall nicht. Wie es sich später herausstellen sollte, kamen sie um diese Gewissensentscheidung sowieso herum.

Im weiteren Verlauf des Spieles änderte sich schnell das Spielerverhältnis. Pits Mannschaft besaß keinen Feldspieler mehr, so dass er als König einspringen musste. Im gegnerischen Feld gab es nur noch Dicki. Meli und er trieben Pit immer wieder in die Enge. Er hüpfte hoch, sprang zur Seite, ein Streifschuss traf, und der Ball ging ins Seitenaus. Jetzt hatte er nur noch zwei ‚Leben'. Melis Mannschaft begann schon zu triumphieren. Pit, der jetzt werfen musste, nahm Dicki aufs Korn. Der tauchte aber im rechten Moment ab. Seine Mannschaftskameraden johlten. Das wirkte wie Balsam auf seiner Seele, trotz des Schweißes, den er schon in Strömen vergoss. Er sei dabei einige Kilo losgeworden, jedenfalls behauptete er das später. Gerade wollte er seine nasse Stirn abwischen, da traf ihn der Ball und fiel mit ihm zu Boden. Damit besiegelte er gleichzeitig sein Aus. Enttäuscht und außer Atem verließ er das Spielfeld und warf sich neben Mia ins Gras und mimte einen Halbtoten.

Nun musste Meli ins Spielfeld. Sie verfügte über ein ‚Leben' mehr als Pit und befand sich damit im Vorteil. Es entwickelte sich ein starkes Duell, bei dem sie zwei und Pit ein weiteres verloren. Jetzt besaßen sie jeweils nur noch eins. Die Entscheidung stand bevor. Im Außenfeld feuerten jetzt alle ihre Favoriten an. Flori begann das Spiel zu kommentieren. Es wurde immer spannender. Meli musste werfen. Unweit stand Pit. Sie zielte, der Ball traf ihn mit aller Wucht, doch er fing ihn, stolperte aber nach hinten und fiel hin. Flori entschied: keine Bodenberührung des Balles. Erschrocken über seine Ungeschicklichkeit, verharrte sie einen Moment an der Mittellinie. Plötzlich sprang Pit auf und schoss. Er hätte sie jetzt leicht treffen können, sie befand sich nämlich in unmittelbarer Nähe, doch der Wurf verfehlte sie haarscharf. Sie hastete hinter dem Ball her, der bereits im Gras rollte und schnappte ihn noch vor dem Aus. Wütend über seine unkorrekte Spielweise, steuerte sie die Stelle an, wo er immer noch verharrte und visierte auf seine Knie. Auch diesmal machte er offensichtlich keine Anstalten, den Ball zu fangen. Der prallte zurück und berührte den Boden. Er hatte absichtlich sein drittes ‚Leben' verwirkt, das konnten alle erkennen. Meli schrie ihn an;

„Das war unfair, Pit, du hättest mich abwerfen können!“

Der lächelte nur und verließ das Spielfeld. Flori kommentierte den Ausgang des Zweikampfes auf seine Weise:

„Spiel verloren, Liebe gesiegt!“

Meli bedachte ihn mit einem verächtlichen Blick. Frau Stiehler verkündete das Ende des Unterrichts. Einige Mitschüler registrierten sofort den kleinen Vorfall am Schluss des Spiels, zumal Flori mit seiner Äußerung noch Öl ins Feuer einer aufkommenden Vermutung gegossen hatte. Deshalb wurde im Waschraum auch gefrotzelt. Pit nahm es schweigend hin, konzentrierte sich auffällig langsam auf das Umkleiden und strapazierte damit die Geduld der anderen. Stinki streifte wie üblich sein Hemd über und verschwand. Auch die meisten Mädchen standen schon in Straßenkleidung herum. Dickis Mutter fuhr vor. Er hatte sie mit dem Handy heimlich vom vorzeitigen Unterrichtsabbruch informiert. Dafür wurde er jetzt gehänselt. Ob Missgunst oder Häme über die übertriebene Fürsorge seiner Mutter den Grund darstellte, ließ sich nicht ausmachen. Es traf wohl beides zu. Handys waren an der Schule nämlich nicht erwünscht. Aus guten Gründen. Sie schürten nicht nur den Neid zwischen denen, die noch keines besaßen und den anderen, die damit herumprotzten, sondern wurde von Unbelehrbaren auch zum Stören des Unterrichts eingesetzt. Ein Unsitte, die sich schnell verbreitete und viel Ärger in den Schulbetrieb brachten. Dicki gehörte weder zu der einen noch zu der anderen Spezies, er brauchte es nur für seine Bequemlichkeit. Er nahm den Spott gelassen hin. Aber es gab auch andere Gründe. Ab und zu nutzte er es auch im Matheunterricht, denn man konnte damit rechnen, aber das wussten nur ganz Wenige. Zu Hause begleitete er die Stellung eines Prinzen. Seine Mutter verwöhnte ihn so ziemlich mit allem, was nach seiner Meinung in seiner Altersgruppe als angesagt galt. Ihm gehörte beispielsweise seit Jahren ein Mountainbike, wahrscheinlich das teuerste im Umkreis, das er aber kaum benutzte. Es verstaubte zu Hause bei ihm im Schuppen. Er ließ sich lieber von seiner Mama kutschieren, und er missbrauchte diesen Liebesdienst reichlich, obwohl sie dafür oft genug den Bäckerladen Frau Katzmann überlassen musste. Auch jetzt hatte er sie einfach her beordert, obwohl ihr das sichtlich nicht zu passen schien. Sie nahm aus Gefälligkeit noch Meli und Mia mit. Letztere wurde auch stets von ihrer Mutter abgeholt. Dafür gab es aber andere Gründe. Sie wäre nämlich lieber wie die anderen im Bus mitgefahren. Noch fügte sie sich, stieg widerwillig ins Auto der Bäckerei, um ihren Eltern keine Sorgen zu machen. Meli nutzte entgegen ihrer sonstigen Art das Angebot, um so schnell wie möglich weg zu kommen, denn einige der Klassenkameradinnen wetzten schon ihre spitzen Zungen. Der Disput zwischen ihr und Pit heizte bereits das Feuer des Tratsches und produzierte schnell missgünstige Tuscheleien, denen sie auf diese Weise entkommen konnte.

Pit befand sich schon auf der kurzen Zufahrt zur Hauptstraße, als ihn die Fuhre überholte. Dicki und Mia winkten, Meli schaute dagegen demonstrativ in eine andere Richtung, das ärgerte ihn plötzlich. Zu Hause rempelte er missgelaunt das Fahrrad an die Garagentür. Als seine Schwester auftauchte und ihm mit irgendeinem Anliegen zutexten wollte, schwoll seine Zornesader. Er sprühte sie mit wütenden Augen an, ließ sie wortlos stehen, warf sein Schulzeug in die Flurecke und verzog sich aufs Zimmer. Draußen hörte er Jule, die sich über seine Unfreundlichkeit bei Boldi beschwerte. Ärgerlich über sein eigenes Handeln, schmiss er sich aufs Bett und begrub sein Gesicht im Kissen. Er wollte nichts mehr hören und sehen. Sein Groll versank im Nebel der hoch kommenden Müdigkeit. Schon nach wenigen Minuten schlief er tief und fest.

Ein Geräusch riss ihn aus dem Schlaf. Es war am frühen Nachmittag. Seine Mutter kehrte gerade von der Arbeit zurück. Bleierne Schwere zog ihn nach unten, er fühlte sich wie von einer unsichtbaren Kraft auf sein Bett gepresst. Ein unvollendeter Traum lähmte seine Sinne und machte ihn unfähig, klar zu denken. Meli hatte ihm erneut eine Abfuhr erteilt. Warum? Nur mit größter Mühe schraubte er sich in die Senkrechte. Plötzlich begannen seine Gedanken, die so zwanghaft das Gehirn blockierten, wie von selbst weg zu fließen. Die aufkommende Klarheit in seinem Kopf gab ihm auch die Antwort auf das Warum. Eine scheinbare Antwort. Aber sie brachte ihm seine Gelassenheit zurück. Bekanntlich gehörte er wie auch die anderen der Clique zum Freundeskreis von Meli und das seit sie in Neuburgroda auf die Realschule gingen. Sicher, er empfand etwas für sie, was möglicherweise über eine normale Freundschaft hinausging. Sie, dem einzigen Mädchen in ihrer Runde, trat er schon immer anders entgegentreten als den Jungen. Er griff auf Tugenden zurück, die beispielsweise bei Fauli völlig fehlten. Zuvorkommenheit, Ritterlichkeit, Manieren, all diese Dinge, die ihm schon sein Opa beigebracht hatte. Aber das gehörte zum Anstand im Umgang mit Frauen. Er hegte bisher nie die Absicht, sie zu verletzen. Wo lag also der Haken?

Natürlich lag es in seiner Absicht, sich beim Volleyball absichtlich abwerfen zu lassen, um ihr einen Triumph zu gönnen und glaubte, ihr damit zu schmeicheln. Jetzt sah er das anders. Mit dieser eigennützigen Geste hatte er seiner eigenen Mannschaft auf unfaire Weise einen Bärendienst erwiesen. Das ließ sich kaum übersehen. Damit handelte er unehrlich und egoistisch, ganz gegen seine sonstige Gewohnheit. Statt ihr zu imponieren, verletzte er aufs gröblichste ihre Gefühle. Eine Freundschaft verkraftete solche Aktionen nur schwer, wenn überhaupt. Also war sie mit Recht auf ihn sauer. Er musste sich daher etwas einfallen lassen, um diesen Ausrutscher gerade zu biegen und sich erneut als ein würdiger Freund zu erweisen.

Noch bevor er die Bude verließ, besaß sein Weltbild wieder klarere Konturen. In der Küche beklagte Jule wie so oft, lauthals sein abweisendes Verhalten. Seltsamerweise berührte ihn diesmal die obligatorische Standpauke seiner Mutter nur wenig.

„Ist was mit dir?“,

forschte sie, irritiert von seinem ungewöhnlichen Benehmen.

„Ist schon ok, nur ein bisschen übertrieben“,

konterte er, ließ die Beiden stehen und ging hinaus. Boldi kam ihm entgegen, er forderte die übliche Spielrunde ein. Den scheinbaren Kampf um einen Ball mochte er am liebsten. Knurrend hielt er ihn seinem Herrchen vor die Nase. Wenn ihn Pit erwischte, musste er ihn wegwerfen. Er jagte dann hinterher. Irgendwann ebbte auch dieser Spaß ab, und die müde Hundeseele gönnte sich in seiner Hütte eine Mütze Schlaf. Pit kontrollierte danach sorgfältig die Beete im Garten. Seine Oma konnte fürchterlich grantig werden, wenn der Hund bei der wilden Jagd ihre Anpflanzungen zerstörte. Den Garten pflegte sie nämlich mit großer Hingabe, und er präsentierte sich zu jeder Jahreszeit als eine Augenweide. Alle im Dorf wussten das. Gott sei Dank fand Pit nichts. Zufrieden setzte er sich auf die Gartenbank und schweifte nachdenklich mit den Augen über Omas Schmuckstück. Früher stand da eine Scheune. Die gab es nicht mehr. Seine Großmutter hatte oft genug von ihr erzählt. Vor Pits geistigem Auge entstand sie wieder. Er glaubte, jede Ecke des legendären Bauwerks zu kennen, so genau erinnerte er sich an das, was er sich aus ihren Schilderungen eingeprägt hatte. Sie gehörte einst zu dem Bauernhof, mit dem seine Urgroßeltern ihren Lebensunterhalt bestritten. Jetzt gab es nur noch ein Seitengebäude aus dieser Zeit. Darin richteten seine Großeltern in den sechziger Jahren eine kleine Wohnung ein, als der Platz im Wohnhaus knapp wurde. Anfangs lebte dort seine Tante Henriette, bevor sie nach Frankreich zu ihrem Mann zog. Außerdem baute sein Großvater den ehemaligen Kuhstall zu einer kleinen mechanischen Werkstatt um, und die existierte noch. Kurz vor Jules Geburt verstarb er. Um Platz für den Familienzuwachs zu schaffen, zog seine Oma in das kleine Domizil des Nebengebäudes. Auf den Einbau einer Zentralheizung hatte sie damals verzichtet, sie schwor auf ihren Kachelofen, der alle Räume mit einer wohligen Wärme versorgte. Nur das Bad bekam eine moderne Ausstattung mit Sitzbadewanne.

Pit hielt sich gerne bei ihr auf. Ihre Wohnstube liebte er besonders, sie verströmte einen Hauch vergangener Gemütlichkeit, und das hatte nicht nur etwas mit der Einrichtung zu tun. Da gab es neben unzeitgemäßen Gegenständen wie einem alten Kanapee mit bestickten Deckchen, einer Nähmaschine zum Trampeln sowie einem fast antiquarischen Grammophon auch Gerüche, die das Flair ihrer Wohnung in besonderer Weise prägten, und es gab natürlich sie selbst. Alles gehörte zusammen, bildete eine harmonische Komposition. Aber zu den schönsten Stunden bei ihr zählten die Tage, wenn sie ihre Fitzkuchen buk oder eine der vielen Geschichten erzählte. Dann wünschte sich Pit, diese Momente mögen nie vergehen. Das Fenster der Wohnstube befand sich auf der Hofseite. Heute hatte sie es weit geöffnet. Auf der Fensterbank lag die Kuchenhorde aus Weidengeflecht. Die ersten Fitzkuchen oder Waffeln, wie man neuerdings dieses Backwerk nannte, verströmten einen herrlichen Duft. Pit schlich sich ans Fenster, um sich ein Stück dieser Köstlichkeiten zu stibitzen, doch seine Oma hatte ihn längst erspäht.

„Willst du wohl deine Finger weglassen!“,

drohte sie lachend. Pit erschrak und zog blitzartig seine Hand zurück.

„Du kannst nachher zum Kaffee kommen, wenn sie abgekühlt sind. Sie schmecken dann auch viel besser, sind knuspriger.“

Sie hatte ihn mit ihrer wohlwollenden Art beschämt. Er bekam stets seinen Anteil, musste nie was heimlich entwenden. Mit gesenktem Kopf ging er zu seinem Fahrrad und werkelte daran herum. Es quietschte etwas, das lag wohl am Ölen. So reagierte er meist, wenn ihn das schlechte Gewissen plagte. Diese Verdrängungstaktik machte ihn neuerdings mehr als früher zu schaffen. In Omas Stube wurde gelacht. Käthe, ihre Nachbarin und Freundin, hatte sich zum üblichen Kaffeeklatsch am Dienstagnachmittag eingestellt. Ein Ritual, das die alten Damen, seit Pit denken konnte, mit Hingabe pflegten. Sie erzählten und witzelten, manchmal tanzten sie auch nach den krächzenden Tönen alter Schallplatten oder sie kicherten wie kleine Schulmädchen. Diese Stimmung, die jetzt ungefiltert aus dem Fenster drang, dazu der Duft des Kaffeetisches, wirkte wie eine heilsame Kraft. Pit sog sie auf wie eine Droge, die allen Griesgram vertrieb. Gleich würde ihn seine Oma rufen, dann musste er sich sorgfältig die Hände waschen, Nachbarin Käthe begrüßen und noch einige andere allgemein unübliche Handlungen vollziehen. In solchen Dingen war sie sehr konsequent, und Pit folgte ihr gern. Als er in die Stube trat, fiel gerade der Name Alfons Meier.

Türler ve etiketler
Yaş sınırı:
0+
Hacim:
440 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9783738000382
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip