Kitabı oku: «Es darf gelacht werden Von Männern ohne Nerven und Vätern der Klamotte», sayfa 4
Eine Lanze für den US-Slapstick
Mit seinem wegweisenden Life-Artikel Comedy’s Greatest Era aus dem Jahr 1949 setzte der US-amerikanische Dichter und Filmkritiker James Agee den heutigen Ikonen des US-Slapstickfilms Charlie Chaplin, Buster Keaton, Harold Lloyd und Harry Langdon ein Denkmal als den größten Filmkomikern. Das sind die immer wieder genannten Exponenten einer aber überaus reichen Gattung. Darin haben Laurel und Hardy, das beste Komiker-Duo der Filmgeschichte, erst Jahrzehnte später die ihnen gebührende Anerkennung erfahren. Ausgehend von John McCabes Buch Mr. Laurel and Mr. Hardy von 1961 erkannte man, dass sie auch meisterliche Tonfilme gedreht hatten. Andererseits ist die Rangeinteilung von Komikern ein akademisches Problem. Schließlich kommt es für Freude und Genuss stets auf das eigene Erleben an. 1924 hatte der Schriftsteller und Kritiker Gilbert Seldes mit dem Abschnitt «The Keystone the Builders Rejected» seines Buches The 7 Lively Arts eine Lanze für den Slapstickfilm gebrochen und ihn als Kunst angesehen (S. 13 ff., Neuausgabe 1957). Gerade ihn sah Seldes als die filmtypischste Form der Filmkunst an, dem aber mit der größten Geringschätzung begegnet wird. Er schrieb: «Seit fünfzehn Jahren gibt es in den Vereinigten Staaten, und zwar allein hier, eine Art Unterhaltung, die uns scheinbar ohne jede Herkunft und aus dem Nichts ein beispielloses Lachen geschenkt hat. Diese Unterhaltung ist zufällig entstanden, und sie erhebt keinen Anspruch auf Kunst. Zehn Jahre lang oder länger gab sie dem Leben von Millionen von Menschen eine Note heiteren Wahnsinns. Kulturpäpste und die Intelligenz verachten diese Unterhaltung hingegen. Und dann entwickelte sich plötzlich vor ihren Augen ein großes Genie, sodass diese Leute nicht umhin kamen einzuräumen, dass es doch die Kunst des Slapsticks gab – aber nur in diesem einen besonderen Fall, sodass sie Slapstick weiterhin strikt ablehnten.» Das war auf Chaplin bezogen, womit Seldes sich nicht zufrieden gab und seine Meinung weiter zuspitzte: «Der dramatische Film liegt immer falsch, der Slapstickfilm aber fast immer richtig.» 1961 befand der britische Theaterkritiker Martin Esslin in seinem 1961 erschienenen Buch The Theatre of the Absurd die stummen Filmgrotesken als wesentliche Quelle des absurden Theaters, als «Erscheinung des zwanzigsten Jahrhunderts, die man wahrscheinlich später einmal als seine einzige wahrhaft große Leistung auf dem Gebiet der volkstümlichen Kunst ansehen wird», und darin «eine Menge unsterblicher Darsteller.» Weiter schrieb Esslin: «Der Typus ihrer Gags und die sich überstürzende Abfolge der Ereignisse […] wird […] durch die Zaubermittel des Films noch gesteigert und ins Wunderbare übertrieben. Die Stummfilmkomödie […] hat die traumhafte Fremdartigkeit einer Welt, die man von außen mit den verständnislosen Blicken eines aus dieser Wirklichkeit ausgeschlossenen Menschen betrachtet. Sie hat Albtraum-Charakter und zeigt eine Welt in unaufhörlicher und völlig zielloser Bewegung. Und sie offenbart immer wieder die starke poetische Macht wort- und sinnloser Handlungen. Die Großen dieser Filme, Chaplin und Buster Keaton, sind vollkommene Verkörperungen des Gleichmuts des Menschen angesichts einer Welt mechanischer Apparaturen, die außer Rand und Band geraten sind» (deutsche Übersetzung 1964: Das Theater des Absurden, S. 344, 345).
Natürlich hat auch das Slapstickgenre Licht und Schatten. In der Anfangszeit stand der wilde, ungezügelte Slapstick nach der Fasson des Slapstickpioniers Mack Sennett im Vordergrund. Sennett hatte die Schnitttechnik des berühmten David Wark Griffith auf die Grotesken übertragen (Turconi, S. 8 ff.; Paulus/King, S. 37 ff.). Er besaß ein Studio, dessen Anlagen sich mit dem heutigen Standard nicht vergleichen lassen. Das Motto des Studiochefs war: «Man braucht eine Anfangsidee, fängt dann an und schaut, wie sich die Dinge entwickeln.» Es wurde gedreht, wenn schönes Wetter war, oder man rückte aus, wenn es irgendwo brannte, um darum herum irgendeine komisch anmutende Situation zu gestalten und die Schauspieler dazu kräftig chargieren zu lassen. Wie im dramatischen Film legten die stark geschminkten Schauspieler die Stirn in Falten, rollten mit den Augen, bleckten die Zähne usw. (zu Sennett und seinem Studio: Mast, S. 48 ff.; Turconi, S. 19 ff.; Walker, S. 25 ff.). Auch der als Genie anerkannte Chaplin hat 1914 so bei Sennett angefangen. Und trotzdem bleibt das Vergnügen bei vielen frühen Streifen nicht auf der Strecke. Der ARD-Pressedienst schrieb 1971 zum Start der Kinderserie PRESTISSIMO, in der stumme Slapstickfilme gezeigt wurden: «Es vermindert nicht den Spaß an diesen Filmen, wenn man weiß, unter welchen Umständen diese frühen Filme entstanden sind. Eher steigt die Hochachtung vor der Leistung jener ersten Kameraleute und Akteure. Chaplin und seine Kollegen arbeiteten ohne richtiges Drehbuch, ohne Scriptgirl, waren Darsteller und Bühnenarbeiter zugleich, mussten die Filme selber schneiden und haben nicht selten die mageren Stories, die ihnen geliefert wurden, erst während der Arbeit durch eigene Ideen aufgeputzt. Das Ganze spielt sich in primitiven Hallen ab, unter der Hitze mörderisch heißer Jupiterlampen. Und doch entstanden dort in ihrer Komik unsterblich gewordene Filmstreifen.»
Die englischen Adjektive «crazy», «screwy» und «zany» umreißen die Welt des Slapsticks durchaus treffend – nichts ist normal, alles ist möglich und (fast) alles erlaubt, eine Spielwiese der Ideen. Aberwitziges Geschehen lebt von Turbulenz, Doppeldeutigkeiten und missverständlichen Situationen, die an sich harmlos sind, und natürlich auch von Schadenfreude. In vielen Streifen blieb bei Verfolgungsjagden kein Stein auf dem anderen. Es wimmelte vor physikalischen und chemischen Unmöglichkeiten, immer wieder wurden Personen deformiert. Sie konnten das aber ganz schnell abschütteln, so wie es später die berühmte Zeichentrickfigur Daffy Duck tat, wenn sie einmal mehr in ihre Einzelteile zerfallen war. Sahnetorten waren häufig zur Hand und flogen Wichtigtuern, Respektspersonen und fein herausgeputzten Damen ins Gesicht. Running Gags kamen hinzu, die sich innerhalb eines Streifens in Variationen oder durch Anspielungen wiederholten. Der berühmte Slow Burn, Laurel und Hardys Markenzeichen, entstand erst in der Endphase der Stummfilmzeit der späten 1920er-Jahre und geht zurück auf ihren Regisseur und Produktionsleiter Leo McCarey. Der atemberaubende, halsbrecherische Slapstick wurde ersetzt durch die Verlangsamung des Tempos. Dadurch wurden groteske Situationen ausgekostet. Hardys Stürze in die Sahnetorte, die er servieren soll, waren in dem Zweiakter FROM SOUP TO NUTS (1928) der Beginn des Slow Burn (Skretvedt, 2016, S. 116). Das geht so weit, dass ein Kontrahent äußerlich seelenruhig alle Erniedrigungen über sich ergehen lässt, bis sein Gegenüber fertig ist. Dann wird der Geschundene aktiv und zahlt es dem anderen heim, der nun ebenfalls alles ruhig hinnimmt. Der Lacherfolg, wie in den herrlichen Laurel-und-Hardy-Streifen THEM THAR HILLS (1934) und TIT FOR TAT (1935), war garantiert. Die anarchistische, respekt- und schonungslose Komik des Slapstickfilms hat sich political correctness bestimmt nicht auf die Fahnen geschrieben, genauso wenig wie später Slapstickepigonen in Cartoons mit Donald Duck, Tex Averys Screwy Squirrel und Foghorn Leghorn aus der Produktion der Warner Brothers. Jedenfalls sind viele Slapstickfilme erfrischend gegen den Strich gebürstet und machen wirklich vor keiner Filmfigur halt. Denn die Komiker waren sich nicht zu schade, sich selbst zum Gespött zu machen. Und das alles in der kleinen Form des Kurzfilms, meistens Ein- und Zweiakter, also mit Spieldauern um die 10 bzw. 20 Minuten.
Mack Sennett & Co.
Ob Kunst oder nicht: Wer lacht nicht gern? Und darf man nur lachen und sich nur dann damit beschäftigen, wenn das Genre im Allgemeinen und der einzelne Film im Speziellen die Absolution der Kunst empfangen haben? Selbstverständlich können nicht alle der zahllosen Streifen des Slapstickgenres nur Perlen sein. Dennoch unterhalten die meisten von ihnen ihr Publikum. Abgesehen von schlicht misslungenen Streifen ist das Problem mancher Filme trotz guter Ideen ihre nicht konsequent und nicht schlüssig über die gesamte Länge durchgehaltene Konstruktion. Billy Dooley spielte in den Produktionen von Al Christie einen tollpatschigen, leicht unterbelichtet wirkenden Matrosen. Seine Filme enthalten viele wirklich lustige Szenen, sie haben aber auch «tote Momente». Solche Längen mindern unweigerlich das Vergnügen. Offenbar verlangt es besondere Qualitäten, die Zuschauer von Anfang bis Ende ohne Leerlauf mit geschickt aufeinander aufbauenden Gags zu unterhalten. Spitzenkomiker wie Chaplin, Stan Laurel und Charley Chase überließen nichts dem Zufall und komponierten ihre Filme ähnlich sorgfältig wie es von Alfred Hitchcock bekannt ist. Der Meister des Suspense hat sein Publikum Schritt für Schritt informiert und dadurch die Spannung gesteigert. In schlechten Zeiten, oft nach Kriegen, wurde der Slapstickfilm als Seelenbalsam geliebt. Die so genannten «Sorgenbrecher» entführten in eine groteske Welt und ließen die Zuschauer allen Widrigkeiten zum Trotz, die die Gegenwart mit sich brachte, befreit lachen und sie für einen Moment alles um sich herum vergessen (Aping, Chaplin, S. 15, 106). In den Kinos war das ein gemeinschaftliches Erlebnis, das das Lachen verstärkte.
Stan Laurel, der geistige Kopf des weltberühmten Duos Laurel und Hardy, antwortete einmal auf die Frage nach einem «todsicheren Rezept», Menschen zum Lachen zu bringen: «Keine Ahnung. Wenn ich es wüsste, wäre ich ein reicher Mann.» Wie bei allem, was Menschen künstlerisch anspricht, geht es um Talent und Fantasie, also um höchstpersönliche Originalität – und auch eine gewisse Magie. Das lässt sich nur zum Teil erlernen. Die Filmkünstler mussten sich etwas einfallen lassen, die Reaktion des Publikums abwarten, daraus lernen und Ideen fortentwickeln. Denn eine gute Idee lässt sich nicht beliebig ausmelken. Sie nutzt sich schnell ab und hat schon beim ersten Aufguss den Reiz des Besonderen verloren.
Mack Sennetts wilder Slapstick bekam in den USA schnell Konkurrenz anderer Studios. Sie eiferten Sennetts Verständnis von Slapstick meistens nach – je wilder und abgedrehter, desto besser, natürlich mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Nur wenige wie Larry Semon kreierten mit atemberaubenden, akrobatischen Szenen voller Stunts und guten Kulissen etwas Unverwechselbares. Einst ernsthafter Konkurrent Chaplins, sank Semons Stern durch die zunehmende Verbindung von Slapstick mit Drama und immer bombastischere Sets. Sennetts größter Mitbewerber wurde Hal Roach. Er produzierte auch temporeiche Slapstickfilme, aber gleichzeitig hatten sie gut konstruierte Stories (Roberts, S. XVII ff). Da Al Christie in den Streifen seiner Produktion ebenfalls gute Stories mit einer gehörigen Portion Slapstick mischte, sah Roach in ihm seinen schärfsten Konkurrenten. Sennett geriet ins Hintertreffen. Wie in der Anfangszeit des US-Slapstickfilms versuchten kleinere Produktionen wie Arrow, Mermaid und Mirthquake sich Marktanteile an dem beliebten Genre zu sichern. Als sich das Ende der Stummfilmzeit abzeichnete, fanden bekannte Komiker wie Jimmy Aubrey, Snub Pollard und Ben Turpin neue Engagements bei den Weiss Brothers, denen man uninspirierte Billig-Produktionen nachsagt. Manche Streifen haben das Pauschalurteil nicht verdient, andere wiederum bestätigen eher die Gerüchte. Von der großen Anzahl anderer Studios und ihrer Bandbreite war in den Fernsehserien kaum etwas zu sehen. So blieben Größen wie John Bunny, Mr. und Mrs. Drew (Gladys Rankin und Sidney Drew) sowie Flora Parker De Haven und ihr Ehemann Carter De Haven auf den Mattscheiben Unbekannte.
Das Ende der Slapstickära wird häufig auf 1929 und das Ende der Stummfilmzeit datiert. Serien kurzer Slapstickfilme wurden aber bis weit in die Tonfilmzeit produziert. Das spiegeln die Slapstickserien im bundesdeutschen Fernsehen ebenfalls wider. Das prominenteste Beispiel sind sicherlich Laurel und Hardy, denen der Übergang zum Tonfilm meisterlich gelang. Bis 1935 hat das Duo zahlreiche Kurzfilme gedreht, die Klassiker des Genres sind. Andere Komiker aus der Stummfilmzeit waren auch noch über Jahre in Kurzfilmen vertreten: Andy Clyde, Edgar Kennedy, Leon Errol, Buster Keaton, Harry Langdon, The Little Rascals und besonders Charley Chase. Seine Komik ist ähnlich originell wie die von Laurel und Hardy, unterscheidet sich aber völlig von der des Duos. Die Exponenten des wilden Slapsticks nach Sennetts Art in der Tonfilmzeit sind allerdings The Three Stooges, die ihre bis 1959 andauernde Erfolgsserie erst nach der Stummfilmzeit begannen. Zu den Highlights der Serie zählen die Streifen, die mit dem ehemaligen Sennett-Top-Regisseur Del Lord entstanden.
Frauen im Slapstick
Der US-Slapstickfilm scheint eine Männer-Domäne zu sein. Schon in den Filmtiteln wird Frauen kaum einmal eine größere Rolle zuerkannt, von eindeutigen Hauptrollen zu schweigen. Aber Frauen haben natürlich auch die Leinwand bevölkert. Mitunter wird der politische Drang der Frauen nach Befreiung thematisiert, wenngleich sich die Streifen über Suffragetten meistens lustig machen. Manche Komikerinnen machten sich bewusst hässlich zurecht, amouröse Verwicklungen spielten eine große Rolle, und immer wieder standen Männer unter dem Pantoffel herrischer Damen, bei denen sie nichts zu melden hatten. Was wären viele Streifen von Laurel und Hardy ohne diese Damenwelt? Viele Filme wären ohne solch hervorragende Darstellerinnen wie Mae Busch, Louise Carver, Bebe Daniels, Madeline Hurlock, June Marlowe, Marie Mosquini, Mabel Normand und Jobyna Ralston vermutlich längst in Vergessenheit geraten. Wenn auch Klischees ausgiebig bedient wurden, die das Ungleichgewicht in der Anerkennung der Gleichwertigkeit der Geschlechter unterstützt haben, haben die Komikerinnen jedoch häufig ein hohes Maß an markanter Eigenständigkeit und Individualität gezeigt. Das gestattet aber nicht den Schluss, von echter Gleichberechtigung zu sprechen. Seit wenigen Jahren scheint zu dem Thema etwas in Bewegung geraten zu sein. 2017 und 2018 sind die empfehlenswerten Bücher Slapstick Divas. The Women of Silent Comedy von Steve Massa und Spectres of Slapstick & Silent Film Comediennes von Maggie Hennefeld erschienen; in Letzterem geht die Autorin auch auf den europäischen Slapstick ein. Sie laden ein, sich mit Clara Bow, Dot Farley, Louise Fazenda, Alice Howell, Charlotte Mineau und nicht zuletzt der späteren Leinwand-Diva Gloria Swanson zu beschäftigen, um nur einige wenige aus dem großen Kreis der Stummfilm-Komikerinnen zu nennen. Ein eigenes reizvolles Thema sind Komikerinnen-Duos, die Hal Roach produzierte, als sich das Team Laurel und Hardy erfolgreich erwies. Diese waren in der Stummfilmzeit Marion Byron und Anita Garvin und im Tonfilm Thelma Todd mit ZaSu Pitts und deren Nachfolgerin Patsy Kelly. Nach Todds frühem Tod tat Kelly sich mit Lyda Roberti zusammen. Die Damen-Duos beweisen sehr viel Eigenständigkeit in einer von Männern dominierten Welt des Slapsticks.
Slapstick in Deutschland
Aber zurück in die frühe Stummfilmzeit und zurück nach Deutschland: Die deutschen Kinobesucher der Kaiserzeit waren sowohl mit dem europäischen als auch dem US-amerikanischen Slapstick vertraut. Mehrere hundert dieser Streifen prägten das Filmangebot der wilhelminischen Lichtspiel-Vorführungen. Einer der bekanntesten Komiker war aber 1914 vor Beginn des Ersten Weltkrieges noch nicht in die deutschen Kinos vorgedrungen, obwohl er sehr schnell zu einem internationalen Star geworden war: Charlie Chaplin. Demgegenüber konnten sich zum Beispiel André Deed, Moritz (Charles) Prince und Max Linder über große Popularität in Deutschland freuen. Der Verleih Pathé Frères verkaufte in Deutschland sogar Statuetten dieser Komiker (Anzeige in: Erste internationale Filmzeitung Nr. 16 vom 18. April 1914, S. 48). Das alles fand durch den Ersten Weltkrieg ein Ende. Plötzlich kam Linder aus dem feindlichen Frankreich. Aber auch andere Slapstickproduktionen aus dem Ausland wurden gedrosselt, ehe sich die Pforten der Filmeinfuhr 1916 fast vollständig schlossen. Unwichtige Güter, die nicht der Ernährung der Bevölkerung dienten, durften in den Notzeiten nicht mehr nach Deutschland eingeführt werden. Zu den unwichtigen Gütern gehörten Filme. Daher dauerte es über das Ende des Ersten Weltkrieges und den Zusammenbruch des Kaiserreichs hinaus bis in die Weimarer Republik 1921, dass 1921 US-Slapstickfilme mit Chaplin an der Spitze zu Lieblingen der deutschen Kinozuschauer wurden (Aping, Chaplin, S. 32, 80 ff.). In der Zeit danach gelangten gut 2 000 Slapstickstreifen (Ein- und Zweiakter) in die deutschen Lichtspielhäuser. Bis 1938 waren US-Tonfilme des Genres auch noch im Dritten Reich zu sehen.
Bis zum Anfang der 1990er-Jahre zeigten Slapstickserien im deutschen Fernsehen nicht nur die Filme selbst, sondern griffen auch auf ihre Präsentation in der Frühzeit des Films zurück. Dazu gehörten der Film-Erklärer und seine musikalische Unterstützung durch Kintopp-Pianisten und Steh-Geiger. Nach der Findungsphase von ES DARF GELACHT WERDEN (1961 bis 1965) nutzte Werner Schwier diese Atmosphäre in seiner Serie besonders konsequent. Ganz am Anfang der Geschichte der deutschen TV-Slapstickserien stand er indessen nicht. 1959 ging als erste Serie mit einem erheblichen Slapstickanteil das CINEMATOGRAPHEN-THEATER im Regionalprogramm des BR auf Sendung. Auch dort kommentierte ein Erklärer mit musikalischer Unterstützung. Über die Akteure und die Einzelheiten, wie die Serie präsentiert wurde, ist nichts bekannt. In der DDR kam jedenfalls bei Horst Kubes LACHPARADE und bei den britischen Serien MAD MOVIES und GOLDEN SILENTS mit Bob Monkhouse bzw. Michael Bentine als Erklärern das meiste aus der Konserve. Maarten van Rooijens Serie AUS ALT LACH NEU von 1980/81 war noch einmal eine Reprise. In der Tradition der Film-Erklärung mit musikalischer Untermalung stehen aber auch die mit Abstand meisten anderen deutschen Slapstickserien in Ost und West. Erklärer und Musiker waren aber nicht mehr zu sehen, sondern nur noch zu hören. Die ab den 1990er-Jahren von arte ausgestrahlten Serien verzichteten ganz auf einen Kommentar. Kurze Einführungen wurden nur vor den Streifen gesprochen.
Stummfilm-Präsentation
Der Film-Erklärer
Was war nun die Aufgabe des Film-Erklärers samt musikalischem Rahmen in der Frühzeit des Films? Einige Einblicke bietet Walter Panofskys Buch Die Geburt des Films von 1944 (S. 88–90) und Georg Herzbergs Artikel «Der Kinoerklärer» in Neue Filmwelt Heft 1/1949 (S. 30), die in der sowjetischen Besatzungszone erschien. Herzberg war seit der Weimarer Republik Redakteur des Film-Branchenblattes Film-Kurier (FK) und ab 1942 dessen politisch linientreuer Chefredakteur. Nach seinem Gastspiel bei der Neuen Filmwelt zum bundesdeutschen Branchenblatt Film-Echo.
Als der Film sich tastend zu entwickeln begann, war er etwas Wundersames in einer Zeit, als die Haushalte noch längst nicht flächendeckend elektrifiziert waren und der Einzug der Technik in die Wohnungen Zukunftsmusik war. Es gab daher im Kino Erklärungsbedarf. Außerdem besaß das junge neue Medium eine eigene Ausdrucksweise, die sowohl die Filmschaffenden selbst als auch die Zuschauer erlernen mussten. Die Zuschauer waren Spielhandlungen nur von den Bühnen gewöhnt. Wenn im Film zwischen zwei Handlungselementen ein längerer Zeitraum lag, war das angesichts der damaligen rudimentären Ästhetik häufig nicht immer leicht zu erkennen. Die Sehgewohnheiten des Publikums mussten sich noch herausbilden wie die Filme auch. Über Klippen im Verständnis half der Erklärer den Zuschauern mit seinen Erläuterungen hinweg in einer Zeit, als in den Film integrierte Zwischentitel keine Selbstverständlichkeit waren. Zwar gab es schon um 1900 Glastitel, die neben dem Film projiziert wurden, wie «Pause» und «Die Damen werden gebeten, ihre Hüte abzunehmen.» Solche Zwischentitel hat später zum Beispiel Bob Monkhouse karikierend nachempfunden: «Bitte nicht pfeifen. Der Operateur wechselt die Rollen.» und «Das Publikum wird gebeten, nicht auf den Boden zu spucken.» Die schwankende und technisch meist asynchrone Zuspielung von Zwischentiteln der Filme behinderte das Kinovergnügen. Deshalb übernahm der Erklärer ihre Funktion. Er machte das Publikum auf Pausen aufmerksam, bat um Rücksicht oder las die Zwischentitel vor. Das war eindrucksvoller und unterhaltender, als Inhaltsbeschreibungen in kleinen Handzetteln oder Varieté-Programmen nachzulesen, wie sie in der Frühzeit des Kinos verteilt wurden. Die Aufgaben des Erklärers reichten aber noch weiter. Er sprach auch Filmrollen nach. Nicht selten haperte es Filmen an Inhalt, Dramaturgie, Zusammenhang und schauspielerischer Darstellungskraft. Verständnislücken ließen sich allein durch Gestik und Mimik auf der Leinwand nicht überbrücken. Wahrscheinlich hat der Erklärer in der Frühzeit des Films dem Medium mehr genützt, als ihm durch überzogene oder gar verfälschende Kommentare geschadet. Den Film-Erklärer gab es jedenfalls auch 1909 noch. Zum Beispiel begann in dem Jahr der spätere Kino-Geschäftsführer Ernst Lauckner seine Filmlaufbahn als Film-Erklärer (FK Nr. 161 vom 14. Juli 1939). Erst als Regietalente begannen, den Film zu verfeinern, sodass er an Verständlichkeit und Qualität gewann, und es bei Großproduktionen üblich wurde, die zur Verdeutlichung nötigen Zwischentitel in die Streifen selbst einzuarbeiten, wurde der Film-Erklärer zurückgedrängt.
Der Film-Erklärer steht aber nicht für Sachlichkeit. Er kommentierte, wie es einmal hieß, «mokant und ironisch», oder aber er gab regelrecht «Gas», um sein Publikum bewusst burlesk zu unterhalten. Er spießte Filme auf, deren Inhalt man mit der Lupe suchen musste oder die so schwerfällig und unverständlich waren, dass sie schon wieder unfreiwillig komisch wirkten. Bei Grotesken ließ sich der aus komischen Kommentaren fließende Effekt sicherlich leichter steigern. Dabei bediente sich der Film-Erklärer je nach Region auch des Dialekts. Den Ausbildungsberuf Film-Erklärer gab es nicht. Es kam ganz auf die individuellen Fähigkeiten an. Naturgemäß schwankten sie von Person zu Person, und Geschmacksverirrungen wird es auch gegeben haben. Manchmal wird ein Film-Erklärer auch zu viel des Guten getan haben, wenn er einem Film mehr andichtete, als in ihm steckte. Diese Ebene war es, die den Film-Erklärer selbst zum Gegenstand von kabarettistischen Karikaturen werden ließ. Seine Figur war der Schlüssel, dem mittlerweile mit dem Film vertrauten Publikum als Reminiszenz an die Kindertage des Films durch gezielt naiv-lustige Kommentierungen von alten Streifen eine vergnügliche Zeit zu bereiten. Im Januar 1941 druckte der FK das Gedicht «Kintopp anno 1913» als Reminiszenz an die lange zurückliegenden Zeiten des Kintopps ab: «Selten ist ein Kino mir / so intim begegnet: / Ein Glas Bier auf dem Klavier, / Flimmerbild verregnet. / Und mit heisrer Stimme rief / Stolz der Chef persönlich: / ‹Haa! Der Vater sieht den Brief / Und ist unversöhnlich!› / ‹Herrschaften! Jetzt rächt er sich / An der schnöden Hilde! / Haa! Sein Groll ist fürchterlich, / Gleich gibt’s Krach im Bilde!› / Und wir saßen andachtsvoll / Vor dem Vaterzorne. / Des Klavierers Jammer schwoll / Irgendwo da vorne. / Plötzlich war das Drama aus, / Der Direktor rief mit Schnaufen: / ‹Kinder müssen jetzt nach Haus, / Rot ist abgelaufen!›»
Im September 1941 beschrieb der Berliner Schriftsteller Johannes Hassis alias Jonny Liesegang in der Rubrik «Det fiel mir uff» der Berliner Zeitung Nachtausgabe ein Treffen mit einem ehemaligen Film-Erklärer während einer Zugfahrt (zitiert nach FK Nr. 210 vom 10. September 1941). Die beiden kamen ins Gespräch, und als Liesegang sein etwa 60 Jahres altes Gegenüber für einen Filmschauspieler hielt, korrigierte dieser die Vermutung. In breitem Berlinerisch (keine Garantie für die richtige Verwendung im Folgenden!) begann er ausführlich aus seiner Zeit als Film-Erklärer zu erzählen, und das deckte sich mit der atmosphärischen Skizze des Gedichts «Kintopp anno 1913»: «[…] Film-schau-spiela? Ick war der Film übahaupt! Ohne mir war’n Film übahaupt keen Film nich, müssen Se wissen! Ohne meine Wenichkeit war beispielhaftaweise Asta Nielsen nischt weita wie ’ne Bandnudel mit Wimpern! Ick war zu damalje Zeiten in de Stummfilmperrjode detselbe, wat heute im Tonfilm sprachlicher Effekt is! Ick ließ die Nerven bibbern, ick knautschte jrenzenlosen Jamma in die Seele det Publikums, ick … knetete sämtliche erforderlichen Stimmungen in die nur kieken könnende Masse. […] Ick war Erklära. [… Een] Erklära stand, wenn der Film losjing, neben de Leinwand! Nu damals mit die Texte, missen Se wissen, in manche Jejenden von Berlin kamen die Leute nich so schnell mit’s Lesen mit. Und wenn se et wirklich jelesen hatten, hatten de meisten hintaher janich bejriffen, um wat et sich eijentlich drehte. Diese Mangelerscheinung nu, die Folje von det zu schnelle Filmabdreh’n und ooch die Folje von die Nichvastehste det Publikums, die wurde durch den Erklära aus de Welt jeschafft. […] Nu wer’ ick Ihnen mal eenen Film erklär’n! […] Se brauchen jaanich zu wissen, um wat for’n Film et sich handelt. Uff Jrund meine Erklärungens wer’n Se am Schlusse meine Ausführungen völlich im Bilde sein. […] Liebet Publikum, meine sehr vaehrten Dam’ und meine Herr’n! Diese heutije Film befasst sich mit een der jrößten menschlichsten Probbleme, die et unta die ziwelisierten Völka jibt. Et is det Probbelem der Unehelichkeit, det Fehltritts, oda, wie man poetischa saacht: det Enderjebnisses eena schwachen Stunde.» Und dann zog der alte Herr alle Register dramatischen Vortrags um die «Trajödje» der jungen Frau, die einem falschen Liebesschwur aufgesessen war («lieber Jott, vaehrte Anwesende, wer schmeißt den ersten Stein?»). Nach «wildem Schluchzen» und «wankendem» Gang hatte sie sich doch nicht von der Brücke in den reißenden Fluss gestürzt. Stattdessen hatte sie sich nach «jrenzelosen Jamma» auf ihrer Flucht vor dem «jrausamen Vata» durch schlimmes Wetter gekämpft («Wilder Regen peitscht de Jassen – et donnert – blitzt, buiii pfeift de Wind um de Eck’n.»), bis sie in der «Plättstube von Fräulein Minkewitz […] een Schemisett plätt’t.» Über den emotionalen Vortrag des Film-Erklärers war Liesegang eingeschlafen. Als er merkte, dass er seinen Zielbahnhof schon erreicht hatte, schreckte er hoch und verließ den Zug mit fliegenden Fahnen. Ob sich das alles so zugetragen hat? Wer weiß? Aber sehr wahrscheinlich hat Liesegang die Darbietung eines Film-Erklärers, wie ihn die Zuschauer Anfang des 20. Jahrhunderts erlebten, ziemlich plastisch eingefangen – und das Vergnügen, das solch ein Vortrag bereitet. Der Film-Erklärer wird sich seiner Möglichkeiten ziemlich bewusst gewesen sein, wenn er vor Rührung seine Stimme im Angesicht einer Schmonzette auf der Leinwand erzittern ließ. Man kann ihn sich gut im Vatermörder und mit Zwirbelschnurrbart vorstellen – natürlich mit der damals populären Barttinktur «Es ist erreicht» behandelt –, wie er sich nach seinem «packenden» Vortrag erschöpft den Schweiß von der Stirn wischt und sich einen Krug Bier genehmigt.