Kitabı oku: «500 Jahre Reformation: Bedeutung und Herausforderungen», sayfa 4

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Wir wissen doch: Mit der Bibelstelle von heute Morgen haben wir manche Probleme als Kirchen in ökumenischer Gemeinschaft. Kann die Kindertaufe wirkmächtig sein, wenn Menschen nicht auch mit ihrem Verstand, mit bewusstem Ja zur Taufe stehen? Muss es dann nicht eine zweite Taufe als Erwachsener geben oder nur eine Erwachsenentaufe?

Schon zu reformatorischen Zeiten war das eine Auseinandersetzung. Die von den Gegnern sogenannten Anabaptisten oder Wiedertäufer wurden hart verfolgt von der «Mainline-Reformation». Ihnen lag an einer Gläubigen– bzw. Erwachsenentaufe, denn die Taufe setze ein persönliches Bekenntnis zu Jesus Christus voraus. Die Säuglingstaufe sei unbiblisch und damit ungültig, die Erwachsenentaufe also eine Ersttaufe.

Wir haben manche Differenzen überwunden. Bei seiner Vollversammlung in Stuttgart hat der Lutherische Weltbund am 22. Juli 2010 ein Schuldbekenntnis gegenüber den Mennoniten als geistlichen Erben der zur Reformationszeit brutal verfolgten Täuferbewegung (s. o.) abgelegt. In der Erklärung heißt es: «Im Vertrauen auf Gott, der in Jesus Christus die Welt mit sich versöhnte, bitten wir deshalb Gott und unsere mennonitischen Schwestern und Brüder um Vergebung für das Leiden, das unsere Vorfahren im 16. Jahrhundert den Täufern zugefügt haben, für das Vergessen oder Ignorieren dieser Verfolgung in den folgenden |46| Jahrhunderten und für alle unzutreffenden, irreführenden und verletzenden Darstellungen der Täufer und Mennoniten, die lutherische AutorInnen bis heute in wissenschaftlicher oder nichtwissenschaftlicher Form verbreitet haben.»13

Das war wichtig. Und heilsam. Im Jahr 2007 haben fast alle Kirchen in Deutschland ihre Taufe erstmals formell gegenseitig anerkannt und so ein gewichtiges Zeichen der Gemeinsamkeit gesetzt. Der römisch-katholische Bischof Feige sagte damals, die gegenseitige Anerkennung zeige, «dass mit der Taufe etwas gegeben ist, was getrennte Kirchen und Christen fundamental verbindet». Diese Rückbesinnung auf die Taufe schließt zwar leider noch nicht alle überall ein. Die Taufanerkennung kann aber ein gewichtiger ökumenischer Schritt sein. Ich erinnere mich gut daran, wie überlegt wurde, welches sichtbare Zeichen von Gemeinschaft denn beim Ersten Ökumenischen Kirchentag in Berlin 2003 gesetzt werden könnte. Es war am Ende im Schlussgottesdienst die Tauferinnerung. Protestanten und Katholiken und Christen anderer Konfession malten einander mit Taufwasser gegenseitig ein Kreuzzeichen auf die Stirn. Mich hat das berührt.

Was aber ist die Geistgeburt? Unser Bibeltext heute Morgen ist eine deutliche Herausforderung. Alle Exegeten, bei denen ich nachgelesen habe, betonen, wie sorgfältig dieses Gespräch im Johannesevangelium aufgebaut ist. Johannes will Jesus schon hier, zu Beginn seines Wirkens als den erweisen, als der er erst nach der Auferstehung sich erschließt: der Menschensohn, der Messias, der Sohn Gottes. Johannes der Täufer hat nach diesem Evangelium gesehen, wie bei der Taufe der Geist Gottes als Taube zu Jesus kam. Im Reden und Wirken Jesu können Menschen Gott erkennen. Sie erfahren, wie Gott ist, wie ein liebender Vater, wie eine suchende Witwe, wie ein fürsorgender Weingartenbesitzer, wie Jesus, der alle an einen Tisch lädt.

Aber wie verhalten sich Geist und Taufe? Wirkt die Taufe die Anwesenheit des Geistes? Noch einmal Klaus Wengst: «Gottes Geist ist souverän. Sein Wirken kann von Menschen nicht festgelegt werden – auch nicht durch die Taufe.»14 Das stimmt gewiss, die Taufe domestiziert das Wirken des Geistes nicht. Manches Mal haben wir ja eher Angst vor zu viel Geistwirken. Das war schon bei den Reformatoren so, Luther eilte von |47| der Wartburg nach Wittenberg zurück, als allzu viel freier Geist zu wirken begann. Und auch Zwingli und Calvin legten Wert auf klare Ordnung statt viel freiem Geist.

Auch heute suchen wir die Balance zwischen notwendiger Ordnung und ebenso notwendiger Freiheit des Geistes. Eine Kirche als Institution kann da von viel Geist schon mal irritiert werden. Ich erinnere mich an den konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung. In Westdeutschland wurde er von manchen als nervender Störfaktor gesehen. In Ostdeutschland führte er zu übervollen Kirchen, in denen politisch debattiert wurde – da fürchteten manche, es werde die Kirche beschädigen. Aber am Ende führte es zu einer friedlichen Revolution. Ich denke auch an die Schweiz; hier in Basel fand 1989 die Erste Europäische Ökumenische Versammlung statt und es war zu spüren: In den Kirchen Osteuropas gärt es, da will sich ein Geist der Freiheit Raum verschaffen. Das kennen auch unsere Partnerkirchen in den Ländern des Südens, etwa wenn angefragt wird, wie viel Patriarchat die Kirche verträgt, ob es zu viel Anpassung gibt an eine Diktatur, ob über Homosexualität überhaupt gesprochen werden darf.

Wie aber unterscheiden wir die Geister? Ist es purer Libertinismus oder Geist Gottes? Wirkt hier Gottes Ruach oder der Geist des Chaos? Ich denke, es gibt zwei Kriterien. Zunächst: Jesus Christus. Es heißt im Text: So muss der Menschensohn erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben (3, 15). Es geht um den Glauben an Jesus, der einsteht für Gottes Wort in der Welt und bei dem aus genau diesem Grund der Tod nicht das letzte Wort hatte. Der Geist mag fröhlich brausen, aber Menschen, die sich auf den Geist berufen, müssen sich daran messen lassen, ob es um sie selbst geht, um selbst ernannte Ziele oder um Jesus Christus, der für diesen Geist steht.

Das zweite Kriterium ist der Aufbau der Gemeinde. Und hier finden wir auch den Zusammenhang zur Taufe. Ein letztes Mal Klaus Wengst: «Da die Taufe zugleich Aufnahmeritus in die Gemeinde ist, wird damit auch deutlich, dass der Geist nicht voneinander isolierte Individuen produziert, sondern dass die Geburt aus dem Geist in die Gemeinschaft der Gemeinde versetzt. Die Taufe mit Wasser ist daher gegenüber dem primären Wirken des Geistes als menschlicher Gehorsamsakt zu bestimmen, der diese Wirken als ein in die Gemeinde berufendes öffentlich und |48| verbindlich anerkennt.»15 Die Taufe nimmt uns hinein in eine Gemeinschaft. Und wo der Geist wirkt, will er diese Gemeinschaft aufbauen. Allzu oft beruft man sich auf die Freiheit des Geistes im Namen der Individualität. Nun ist Individualität für Protestanten nicht negativ besetzt. Aber wo sie zur Egomanie wird, die Gemeinschaft nicht mehr zählt, sondern nur die persönliche Grundüberzeugung, da wirken andere Geister. Ein Unterscheiden der Geister kennen wir doch auch bei anderen Institutionen. Denken wir an die Olympischen Spiele. Da soll der Geist von Sport und Völkerverständigung wirken und die Spiele verlieren ihre Glaubwürdigkeit, wenn er sich nur als Geist von Doping und Geld entpuppt.

Unsere Kirchen werden sich immer wieder daran messen lassen müssen, ob das solus Christus der Reformatoren den Geist bestimmt. Und daran, ob sie der Gemeinschaft dienen. Für Protestanten gilt es, auch mit Blick auf das 500-jährige Jubiläum darüber nachzudenken, was es bedeutet, dass der Geist der Spaltung sie so oft umweht hat. Das ist eine berechtigte Anfrage. Als ich im Juni in den USA war, hat mich noch einmal neu berührt, dass es dort 22 lutherische Kirchen gibt, die nicht alle Abendmahlsgemeinschaft haben. Was für ein Zeichen ist das?

Gott sei Dank gibt es auch eine 500-jährige Lerngeschichte der Reformation. Seit 40 Jahren haben wir mit der Leuenberger Konkordie eine Form von Kirchengemeinschaft in Europa gefunden, die Unterschiede respektiert, aber doch die gegenseitige Anerkennung als Kirchen und damit das gemeinsame Abendmahl möglich macht.

«Es sei denn, dass jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.» (3, 5b) Vielleicht will Johannes vor allem sagen: Du musst dich auch öffnen für den Geist. Nikodemus verschwindet ja eigentümlich leise aus dieser Szene, der Dialog geht über in eine Offenbarungsrede Jesu. Ob das andeutet: Nikodemus kann sich nicht wirklich öffnen? Kann sich auf den Weg Jesu nicht einlassen? Bultmann sieht das Wort als «Mahnung – freilich nicht eine moralistische, sondern die Mahnung, sich selbst in Frage zu stellen»16. Es geht nicht um «Besserung des Menschen»17, sondern darum, dass der Mensch seinen Ursprung in Gott findet und begreift, dass er das Leben nicht im Griff hat. Das finde ich einen äußerst hilfreichen Gedanken. Heil lässt sich nicht |49| herstellen, nicht kaufen, sondern ist Gottesgeschenk, Gnade. Ich muss mich mit meinen Sicherheiten in Glaubens- und in Lebensfragen öffnen, mein ganzes Vertrauen auf Gott werfen, nicht auf all das, was so richtig und wichtig erscheint: Geld, Rechtgläubigkeit, Konformität.

Die Taufe ist ein Zeichen der Zugehörigkeit. Sich auf Gottes Geist einlassen ein Zeichen für Gottvertrauen. Das gilt im persönlichen Leben. Das gilt aber auch für Kirchen als Institutionen, die immer mal wieder ein Geistbrausen brauchen, wenn sie es sich allzu behaglich in der Welt eingerichtet haben. Ich denke an unsere Strukturen, aber auch an die Herausforderungen, in den Fragen der Gerechtigkeit, der Flüchtlinge, des Kriegs und der Waffengeschäfte, der Bedrohung der Zukunft dieser Erde mutige Worte und Taten zu wagen. Am Ende aber können wir uns als Getaufte in all unserem Ringen nur Gott anvertrauen, dem Wirken des Geistes Gottes, das wir immer wieder spüren dürfen.

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Klára Tarr Cselovszky, Budapest

Matthäus 5, 13–16

Liebe Schwestern und Brüder

1838 gab es ein gewaltiges Hochwasser in Budapest. Vergleichbar mit dem diesjährigen Hochwasser im Frühling in Ulm, an der Donau und im Elb-Raum in Deutschland. Kurz zuvor, im Jahr 1811, wurde die Kirche am Deak Platz gebaut. Sie ist die Kirche der Gemeinde, in der mein Mann heute als Pfarrer dient und neben der wir leben. Die Kirche ist auf der flachen Pester Seite der Stadt ein hohes und festes Gebäude. Wegen des sandigen Bodens wurde sie höher gebaut. Als nun 1838 das Hochwasser kam, blieb nur die Kirche trocken. Viele Hunderte von Menschen fanden in ihr Zuflucht, unter anderem auch die Mitglieder der jüdischen Gemeinde in der Nähe. Nachdem der Wasserstand wieder gesunken war, schenkte die jüdische Gemeinde unseren lutherischen Vorfahren einen Abendmahlskelch, der seitdem als «Hochwasserkelch» bezeichnet wird. Die Kirche war Zufluchtsort, eine feste Burg, eine Stadt auf dem Berg. Über dieses Bild und andere lesen wir bei Matthäus, im Kapitel 5, die Verse 13 bis 16:

«13 Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und es von den Leuten zertreten lässt.

14 Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein.

15 Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind.

16 So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.»

Das Wesen dieser Verse kann man mit einem Wort zusammenfassen: Ausstrahlung.

Heutzutage hören wir dieses Wort in vielen Zusammenhängen.

In der Meteorologie steht es für die Wärmeabgabe der Erdoberfläche bzw. der Atmosphäre. Ausstrahlung sagt aber auch etwas über die Anziehungskraft oder das Charisma eines Menschen. Das Wort Ausstrahlung bedeutet Sendung, Übertragung. Das Gegenwort ist Empfang, der Oberbegriff Ermittlung. |51|

Als «geborene» Linguistin habe ich der ursprünglichen Bedeutung von Strahl nachrecherchiert. Strahl ist demnach in der Mathematik bzw. Physik eine einseitig infinite Linie, die an einem festen Punkt beginnt, bzw. ein von einer Energiequelle ausgehendes Bündel elektromagnetischer Wellen.

Die Schlagwörter in unserem Bibelwort, das Licht, die Stadt auf dem Berg, das Salz, sind kleine Einheiten, die eine sehr große Auswirkung, Ausstrahlung haben. Man kann sie nicht mehr abdecken, verleugnen, ihre Wirkung verändern, wenn sie einmal angefangen haben, das zu tun, was ihren Sinn ausmacht: Das Licht – Helligkeit auszustrahlen, um die Dunkelheit völlig zu vernichten. Die Stadt auf dem Berg – sich als Leuchtturm, als Wegweiser, als Schutz zu erweisen, damit sie von weiter Entfernung sichtbar ist. Und das Salz – die fad schmeckende Speise schmackhaft werden zu lassen.

Es ist bewundernswert, wie genau Sprache wiedergibt, was der biblische Sinn des Wortes Ausstrahlung ist: Sendung und Übertragung. Ausstrahlung bedeutet in der Physik, dass Strahlen kommen, die von einer Energiequelle ausgehende Bündel elektromagnetischer Wellen sind. Von einer einzigen Energiequelle. Diese Quelle wird oft gar nicht wahrgenommen, wir spüren nur ihre Wirkung. Die Helligkeit, den Geschmack und das Sicherheitsgefühl. Auch Jesu Nachfolger sind nur Mittel. Durch ihre Taten, ihr Leben und mit ihren Worten geben sie das Evangelium weiter. Sie wirken wie eine Schmerztablette: Sie sind klein, haben aber eine große Wirkung. Ich komme ja aus Ungarn, aus dem Land des Paprikas. Einmal kaufte ein Bekannter aus Deutschland irgendwo Kirschpaprika. Das sind diese ganz kleinen, kirschförmigen Paprika. Er wollte sie zu seinem Sandwich essen. Er biss hinein, konnte aber den Paprika nicht mehr essen, weil er so scharf war. Er spürte die Wirkung noch lange auf der Zunge. So erlebe ich die Kirche auch. Die Diasporasituation bedeutet lange nicht, dass es mit der Kirche zu Ende ist. Seit meiner Geburt lebe ich als Teil einer Diasporakirche. Das war mir aber immer ganz natürlich, denn die Wirkung einer Kirche hängt nicht nur von der Größe ab. Wir brauchen aber auch feste Städte, die stark und groß sind. Nicht jeder kann jedoch in der Nähe einer festen Burg leben. Eine Ausnahme sind wohl nur die Österreicher, denn sie haben eine Stadt, die von gleich zweien unserer Bilder, vom Salz und der Stadt auf dem Berg geprägt ist: Das ist Salzburg.

Licht: Bis weit in die Neuzeit hinein war weitgehend unklar, was Licht tatsächlich ist. Teilweise glaubte man, dass «Strahlen» von den Augen |52| ausgehen, die die Umwelt beim Sehvorgang abtasten. In Wahrheit ist nicht das Auge die Lichtquelle, sondern das menschliche Auge und das Gehirn nehmen mit Hilfe des Lichtes die Umwelt wahr. Ohne Licht kann man die Umwelt überhaupt nicht sehen, gar nicht wahrnehmen.

Das Licht kommt in mehreren Bibelstellen vor, zu allererst aber im Buch Genesis. Der dritte Satz in der Schöpfungsgeschichte berichtet, dass bereits am ersten Tag Gott das Licht schuf! Unmittelbar nachdem er Himmel und Erde geschaffen hatte. Das Licht ist die Trennung des Hellen vom Finsteren. György Jakubinyi, ein katholischer Theologe aus Siebenbürgen, schreibt 1991: «Das Licht ist die Erlösung durch Jesus Christus aus der Dunkelheit der Gottesferne.» Wilhelm Stählin (1958) sagt sinngemäß: Es ist das Licht, was die Dinge voneinander unterscheiden lässt. Das Gute vom Bösen. Das Helle vom Dunklen. Das Bild des Lichtes, die Flamme selbst ist sehr vielsagend, denn das Feuer ist kein Gegenstand, es ist ein Prozess. Im Prozess der Veränderung passiert etwas ganz Wichtiges: Aus einem Gegenstand, aus Holz, und aus einem Funken wird Licht. Das ist das Mandat der Jünger. Das Licht in der Welt zu werden.

Das Salz: Salzen tut einer Speise gut. Eine Speise kann nicht mehr entsalzt werden, wenn der Geschmack einmal drin ist, kann er nicht mehr zurückgenommen werden. Auch das ausgesprochene Wort kann man nicht mehr zurücknehmen, seine Bedeutung rückgängig machen. Das Wort Jesu ist auch wie Salz in der Speise: Es verändert das Wesen wie der Geschmack eine Speise verändert.

Dies tut Jesus durch uns. Er spricht uns nicht im Konjunktiv an, sondern im Indikativ: Ihr seid. Ihr seid das Salz der Erde, das Licht der Welt. Jesus sagt nicht, ihr sollt euch bemühen, Salz und Licht zu werden, sondern er sagt: Ihr seid es bereits!

Seine Worte haben schöpferische Kraft. Wie Gott im Buch Genesis sagt, es werde Licht, so sagt Jesus, ihr seid das Licht und das Salz. So schafft er aus einfachen Menschen Jünger, durch die seine Kraft in die Welt strahlt. Diese Aussage Christi ist eine unvorstellbar große Ehre, dass man ein Mandat bekommt, Jünger zu sein. Amen.

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I Theologische Grundlagen

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Rowan Williams, London

Das Erbe der Reformation

1. Was bedeutet es heute, das Erbe der Reformation des 16. Jahrhunderts zu feiern? In den letzten Jahrzehnten haben viele Kommentatoren argumentiert, dass wir keine klare Vorstellung mehr davon haben, was es bedeutet, ein europäischer Protestant im «klassischen» Sinn zu sein. In Großbritannien bestehen nach Auffassung mehrerer Beobachter die Überreste der Volksreligion, sofern überhaupt vorhanden, in der mehrheitlich als typisch «katholisch» bezeichneten Religionsrichtung: Im Mittelpunkt stehen Rituale, heilige Stätten und der numinose Charakter der geliebten Verstorbenen (das dramatischste Beispiel ist die Reaktion auf den Tod von Prinzessin Diana). Ein verbreitetes britisches christliches Selbstverständnis, das auf der Bibel, dem Gebet im Kreis der Familie und der Papstfeindlichkeit (sowie einem gewissen Gefühl für die von der Vorhersehung bestimmte Rolle der Nation) gründet, ist endgültig verschwunden. Anderswo in Europa finden vergleichbare Entwicklungen statt. Während säkulare Beobachter die «katholische Soziallehre» als kohärente und erkennbare Präsenz in der allgemeinen Diskussion zum sozialen Wohlergehen und zur politischen Gerechtigkeit betrachten, findet die deutlich protestantische Stimme in der Sozialethik im weiteren kulturellen Kontext trotz vieler und hochstehender Beiträge aus Kirche und Universität kaum Gehör. Daher erstaunt es nicht, dass das Selbstverständnis der Protestanten und insbesondere der Reformierten in Europa und anderswo von einer gewissen Unsicherheit umgeben ist. Die «protestantische» Identität wird häufig mit der typisch amerikanischen Prägung von wörtlicher Bibelauslegung und Sozialkonservativismus in einen Topf geworfen und einem gleichermaßen typischen «liberalen Protestantismus» gegenübergestellt, der sich nicht um Dogmen kümmert und sich allgemein für fortschrittliche Belange engagiert. Dieser Hintergrund hilft nicht, die eigentliche Reformation zu verstehen, geschweige denn die Bedeutung der reformierten Theologie in den letzten hundert Jahren. Studenten stehen oft ratlos vor der Frage, wo sie Karl Barth auf einer theologischen Karte, die durch die einfachen Gegensatzpaare rechts-links und konservativ-liberal definiert ist, ansiedeln würden. |56|

2. Ich möchte in meinen kurzen Ausführungen den Beitrag einer erkennbar «protestantischen» Theologie zur christlichen Kultur generell untersuchen und dabei auf einige bleibend konstruktive Elemente sowie auch auf Faktoren mit eher gemischten Auswirkungen eingehen. Ich schreibe als Anglikaner, d. h. als Person, deren ekklesiale Identität durch die Zurückhaltung geprägt ist, die Kluft zwischen Protestanten und Katholiken nur als binären Gegensatz zu sehen, und die sich der Schlüsselrolle der reformierten Theologie für das Selbstverständnis der anglikanischen Kirche unbedingt bewusst ist. Ich erhielt meine geistliche Bildung im «katholischen» Flügel der anglikanischen Familie, wurde aber auch durch die Kindheit in der presbyterianischen walisischen Kirche und das stetige Interesse und den Enthusiasmus für verschiedene Strömungen der reformierten Tradition geprägt, für die Autoren wie Richard Baxter, Thomas Torrance und natürlich Karl Barth selbst stehen. Vor diesem persönlichen Hintergrund wage ich den Versuch, drei Themen der reformatorischen Theologie und Praxis zu behandeln, die nach meiner Auffassung von zentraler und dauerhafter Bedeutung für die theologische Gesundheit der christlichen Gemeinschaft sind. Außerdem möchte ich über drei weitere Themen nachdenken, die weniger offensichtlich fruchtbringend waren und die in der Tat zum Teil mitverantwortlich sind für die heutige kulturelle Trostlosigkeit und Verwirrung. Meine vorsichtige Schlussfolgerung lautet, dass man letzteren Themen nur mit einem theologisch fundierten Verständnis der ersteren entgegentreten kann, um letztlich eine positive, eigene und kreative Rolle für das Erbe der Reformation zu erkennen.

3. Bei den anscheinend positiven Themen handelt es sich um folgende: Erstens bekräftigte die Reformation die absolute Unterscheidung zwischen geschöpflichem und unendlichem Handeln; mit der ständigen Betonung der Souveränität Gottes wird auf die Wahrheit verwiesen, dass Gottes Handeln und unser Handeln weder im Wettbewerb miteinander noch in Zusammenarbeit stehen können. Zweitens begründete die Reformation das Prinzip, wonach die Schrift nicht nur als Quelle der wahren Lehre sowie zu deren Veranschaulichung diente, sondern auch eine kritische Präsenz in der Kirche war; die Schrift «mischte sich» in das Leben der Kirche «ein» und war nie nur ein Instrument derselben. Drittens bezweifelte die Reformation grundsätzlich, dass Gnadenmittel durch menschliche Vermittler «verabreicht» werden konnten, und bekräftigte, dass die Kirche keine Versammlung von Herrschern und Untertanen, sondern in erster Linie eines Volkes sei. |57|

4. Das ambivalente Erbe der Reformation lässt sich wie folgt zusammenfassen. Erstens verbündete sich die Betonung der souveränen Würde von Gottes Wort mit dem entstehenden Rationalismus und zeichnete so ein eindimensionales Bild der menschlichen Erkenntnis, in dem das Nonverbale als minderwertig galt. Zweitens leistete das Misstrauen gegenüber der Hierarchie einer halbherzigen Theologie der Kirche Vorschub; die Frömmigkeit und die Erkundungen des Einzelnen standen im Mittelpunkt, auf Kosten des Verständnisses der Gemeinschaft in Christus und im Geiste und einer intelligenten Aneignung der christlichen Vergangenheit. Drittens suggerierte die Hervorhebung der göttlichen Souveränität (gleichsam im Widerspruch zur eigentlichen theologischen Bedeutung) letztlich einen Gegensatz zwischen Menschlichem und Göttlichem, der durch die einfache Unterwerfung des erschaffenen Willens gelöst wurde: Die Emanzipation des Menschen, so dachte man, erfordert den Verzicht auf den theologischen Diskurs.

5. Zum ersten der drei Punkte: Der Fokus des Protestes der Reformation gegen die populäre Theologie und Praxis des späten Mittelalters lag auf einem Sprach- und Gewohnheitsmuster, das scheinbar davon ausging, ein versöhntes, gnadenerfülltes Leben lasse sich mit Gott «aushandeln.» Die Welt der Frömmigkeit wurde (nicht immer gerechterweise) als Weg für die Menschen gesehen, um bestimmte erschaffene Mittel, deren Auswirkungen Gott gewährleistete, dazu zu nutzen, die von Gott versprochenen Belohnungen zu erhalten. Obwohl Gott in diesem Rahmen als der prioritäre Handelnde anerkannt wird, entsteht unmittelbar der Eindruck einer «spirituellen Technologie», wobei Gott verpflichtet ist, die Konditionen, die er selbst festgelegt hat, einzuhalten. Der erschaffene Akteur weiß, wozu Gott «verpflichtet» ist – das ist der wunde Punkt: Gottes Handeln erscheint wie aus der gegenwärtigen Lage herausgelöst und wird zu einem abstrakten Rahmen, in dem das menschliche Handeln plant und das menschliche Schicksal zu kontrollieren versucht (nicht zuletzt durch die besonderen Arten von Kontrolle im Zusammenhang mit dem geweihten Amt, das die Verabreichung des Gnadenmittels kontrolliert). Das Ergebnis ist entweder eine selbstgefällige Reduktion des Lebens der Jüngerschaft auf die Befolgung des neuen «Gesetzes» oder, wie Luther entdeckte, eine zerstörerische Verzweiflung daran, der Gnade Gottes als unmittelbare Lebenswirklichkeit zu begegnen; in diesem Zustand herrscht eine Dissonanz zwischen dem, was die Kirchenbehörden verbindlich als wahr erklären, und dem persönlichen Empfinden von Schuld oder Verlassenheit. |58|

6. Luther setzt die göttliche Souveränität wieder ein, indem er sich an einen Gott wendet, der immer im Verborgenen ist; einen Gott, mit dem man nicht verhandeln kann und dessen Gegenwart man immer im Herzen seiner eigenen anscheinenden Abwesenheit findet und nicht dort, wo man seine Gegenwart gemäß einer systematischen Karte seiner Tätigkeiten vorhersagen kann. Die Theologie ergibt nur dann Sinn, wenn das wiedergefunden wird, was seit je ein Grundprinzip der katholischen Theologie bildete, aber immer wieder verdeckt wurde: das Prinzip, dass Gottes Handeln und endliches Handeln nicht zwei Beispiele ein- und desselben sind; sie können nicht miteinander wetteifern und sie können nicht wie im Wettstreit um ein einziges umstrittenes Gebiet gesehen werden. Dieses Prinzip durchzieht die theologische Welt von Thomas von Aquin (es ist in sehr interessanter Weise besonders in seiner Christologie am Werke). Der Protest der Reformation beharrt jedoch darauf, dass es auf jeder Ebene der Theologie und Praxis angewandt werden muss. Theologische Idiome oder Gebetsgewohnheiten, die davon ausgehen, dass Gott auf die Initiative des Menschen reagiert, sind vom echt theologischen Diskurs auszuschließen, weil Gottes Handeln in keiner Weise durch menschliches Handeln bedingt ist. In der von Calvin vertretenen Prädestinationstheologie – die umstritten, ja schockierend ist – geht es im Wesentlichen um diese grundlegende Unvergleichbarkeit des erschaffenen und des nicht erschaffenen Akts: zeitliche Abfolge, logische Konsequenz, moralische Angemessenheit – all dies sind ein fatal falscher Rahmen für Überlegungen über das Verhältnis von Gott zur Schöpfung. Paradoxerweise impliziert dies – dem calvinistischen Gedankengut nicht so fremd, wie einige glauben –, dass die Würde des Menschen durch die Erhabenheit Gottes nie bedroht werden kann, so wie auch die Erhabenheit durch die Affirmation konkreter Menschenrechte nicht bedroht werden kann, weil das Endliche und das Unendliche gar nicht miteinander konkurrieren. Der Grundsatz der Reformation, die bedingungslose Souveränität Gottes, sollte uns vor Angst und Groll gegenüber Gott befreien und eine solide Theologie der menschlichen Berufung und der Freiheit im sozialen/politischen Bereich zulassen.

7. Dies hängt mit dem zweiten positiven Argument zusammen. Wenn die Schrift «Gottes geschriebenes Wort» ist, dann ist sie eine Trägerin desselben bedingungslosen göttlichen Handelns. Die Schrift ist kein vom Menschen zu entdeckendes passives Instrument, das Wahrheiten äußert, die in ein ordentliches Schema von Konzepten gegossen werden können (aus diesem Grund bildet der Fundamentalismus im Wesentlichen eine |59| Antithese zur echten reformierten Theologie); die Schrift lebt und wirkt, ein Feld voller Erinnerungen, Lieder und Maximen, in dem der menschliche Diskurs jederzeit in greifbarer Weise zum Träger einer verbindlichen Kommunikation werden kann und zur Jüngerschaft ermahnt. Dies bedeutet, dass die Schrift in der Kirche immer eine entscheidende Präsenz darstellt. Obwohl manche reformierte Theologen dies so auslegen, dass die Schrift eine genaue Verfassung für die Kirche bildet – was dort nicht vorgeschrieben ist, ist implizit verboten (die Auffassung einiger englischer Calvinisten im 16. und 17. Jahrhundert) –, vertieften die meisten reformierten Denker des Mainstreams das Argument anders. Der Grundsatz, wonach alles im Leben der Kirche daran zu messen ist, ob es der Verkündigung des Evangeliums von Gottes freier Wahl und Gnade dient, ist nicht gleichbedeutend mit der Aussage, dass die Schrift ein umfassendes Rechtsbuch für die Kirche darstellt. Die Schrift kann jedoch nie als einfaches Instrument für die Zwecke der Kirche oder als Quelle von Dokumenten zur Veranschaulichung der kirchlichen Lehre gesehen werden. Sie muss als Anfrage von außerhalb des kirchlichen Lebens gehört werden, obwohl die Schrift selbst in das Leben der Kirche eingebunden ist und nicht in einem luftleeren Raum existiert. Sie bleibt ein Buch, das von der Kirche gelesen wird; doch sie wird von der Kirche gelesen, damit die Kirche hören kann, was sie sonst nicht hören würde.

8. Im Leben der Kirche – und besonders im Gottesdienst der Kirche – werden wir in Frage gestellt. Wir werden zu aufmerksamem Schweigen geführt, zu Lob und Bestätigung; das Lesen und Hören der Schrift ist eine primäre Verkörperung dieser Dimension. Beim Zuhören vernehmen wir nicht automatisch die genaue Äußerung von Gottes Willen; wie bereits festgestellt können wir die Handlungsmacht Gottes keineswegs als automatisch vorhersehbar betrachten. Wir hören aber in der Erwartung zu, einer mehr christusgleichen Art des Seins gewandelt zu werden. Manchmal geschieht dies in einer Weise, die wir sehen und verstehen können. Meistens hingegen geschieht es in einer Weise, die nicht sofort wahrnehmbar ist. Die Disziplin des erwartungsvollen Zuhörens bedeutet aber, dass wir uns immer fragen müssen, was wir Neues über unsere Jüngerschaft lernen sollten. Dabei geht es nicht darum, sich neue Auslegungen von bekannten Texten zurechtzulegen oder radikal neue Doktrinen zu erarbeiten: Es gibt bereits einen Rahmen für die Lehre und Praxis, nämlich die gemeinsame Identität der in Christus Getauften, die allen unseren Handlungen im Gebet Bedeutung verleiht; ohne sie wäre unser Tun sinnlos. Aber innerhalb dieses Rahmens streben wir ständig nach |60| Unterweisung und Vertiefung beim Lesen, beim Dienst und beim Zeugnis. Die bezeichnende Form des Gottesdienstes kann genau die Einstellung des erwartungsvollen Zuhörens, verbunden mit unaufhörlichen Zeichen von Dankbarkeit für das, was wir gehört haben und was uns geschenkt wurde, sein.

9. Der oft missverstandene reformatorische Grundsatz der offenen Bibel und der allen zugänglichen Schrift bildete vor dem damaligen Hintergrund einen Protest gegen die Behörden, die weder der Gesellschaft als Ganzes noch der vorausgehenden Wirklichkeit von Gottes Kommunikation in der Schrift Rechenschaft schuldeten. Dieser Grundsatz war nicht als Freibrief für unbegrenzte individuelle Auslegungen gedacht, sondern sollte das Leben der Kirche für einen gemeinsamen Prozess des Lesens und Erkennens öffnen, in dem alle Getauften mitsprechen durften. Christi Gnade wurde nicht von einer Priesterkaste an den Leib der Gläubigen weitergegeben; die Priesterweihe bildete in der Kirche ein feierliches, lebenslanges Amt und die Zusicherung ihrer Kontinuität eine ernsthafte Angelegenheit, jedoch keine Einführung in eine regierende Elite. Mit der klassischen calvinistischen Unterscheidung zwischen regierenden und lehrenden Kirchenvätern sollten diesbezügliche Bedenken aufgegriffen werden. Obwohl der lehrende Priester häufig bald genauso autoritär wurde wie das System, das er ersetzt hatte, bildete das Ideal des «dialogorientierten» Leseprozesses, bei dem alle gleich verantwortlich waren, eine zutiefst theologisch motivierte Anstrengung, um dem Grundsatz der Würde aller Getauften Ausdruck zu verleihen. Eine «offene» Bibel gibt der Gemeinde eine gemeinsame Sprache; alle haben das Recht in dieser Sprache zu sprechen und es ist nicht mehr vertretbar, den Zugang zur gemeinsamen Welt zu begrenzen, um die Macht einer regierenden Klasse zu festigen. Darin steckt ein solider Kern von klassischem Republikanismus (ironischer Weise erkennen wir hier einige politische Gedanken von Thomas von Aquin). Der Erfolg dieser Gedanken in der Geschichte verschiedener Nationen überrascht daher wenig. Dies ist aber weder als Anarchie der Liebe noch als Demokratie, wie wir sie heute deuten, zu verstehen. Es konnte das Streben nach einer realen Theokratie genauso beinhalten wie Ideale der (vielleicht gewerkschaftlichen) Mitbestimmung, Diskussion und Entscheidung. Der springende Punkt ist, dass der universale Zugang zu einer gemeinsamen, maßgebend kulturellen Ressource in Schriftform grundsätzlich der Gründung einer theologischen Konversation gleichkam, in der alle verantwortlich waren und die keine Stimmen |61| von vornherein ausschloss. Die von der Reformation nicht immer erfolgreich bewältigte Herausforderung bestand darin, einen Konsens zu finden, der maßgeblich bleiben würde.

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