Kitabı oku: «Religion und Spiritualität in der Ich-Gesellschaft», sayfa 3

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Theorie der Individualisierung und spirituellen Revolution

Bereits Ende der 1960er Jahre publizierte Thomas Luckmann sein Buch «Die unsichtbare Religion»50, worin er die Säkularisierungstheorie scharf kritisierte. Der eigentliche Fehler der gesamten Klassiker, vor allem aber der zu seiner Zeit starken Kirchensoziologie, liege, so Luckmann, in einer zu engen Definition des zu erklärenden Sachverhalts.

«Was für gewöhnlich bloss für ein Symptom für den Rückgang des traditionellen Christentums gehalten wird, könnte Anzeichen für einen sehr viel revolutionäreren Wandel sein: die Ersetzung der institutionell spezialisierten Religion durch eine neue Sozialform der Religion. Eines lässt sich mit Sicherheit sagen: Die zu einem ‹offiziellen› oder einst ‹offiziellen› Modell der Religion erstarrten Normen der traditionellen religiösen Institutionen können nicht mehr als Gradmesser zur Einschätzung der Religion in der modernen Gesellschaft dienen.»51

Der Fehler der Säkularisierungstheorie bestehe also gemäss Luckmann darin, Religion zu eng zu definieren. Hierdurch, so Luckmann, bekämen die Modernisierungstheoretiker nur einen Niedergang in den Blick und würden blind für andere religiöse Formen, die die alten Formen ersetzen. Würden etwa Historiker «politische Organisation» zu eng als «Königtum» definieren, so wäre im Verlauf der letzten Jahrhunderte ein ständiger Niedergang der «politischen Organisation» zu beobachten gewesen – ohne dass der Aufschwung der totalitären Regimes und der Demokratien als neue Formen von politischer Organisation in den Blick gekommen wäre.52 In Wirklichkeit hätten wir es also, so Luckmann, nicht mit einem Niedergang, sondern mit einer Veränderung der Religion und Religiosität in modernen Gesellschaften zu tun. Zwar schrumpfe das «offizielle Modell» mit seinen |26| «erstarrten Normen» – d. h. also traditionelle Kirchlichkeit. Aber diese Form würde durch individualisierte, frei wählbare neue Spiritualitätsformen ersetzt. Worin diese neue Spiritualität genau besteht, wird bei Luckmann allerdings nicht völlig ersichtlich. An einer Stelle spricht er davon, dass Ratgeberseiten, positives Denken im «Playboy» oder Popmusik-Lyrik Elemente letzter Bedeutung enthielten.53 An anderer Stelle meint er, Themen rund um das Individuum und seine Autonomie (wie Selbstverwirklichung, Familialismus, eigene Sexualität) seien religiös aufgeladen.54

Luckmanns Argumentation – zusammen mit dem eingängigen Buchtitel von der unsichtbaren Religion – inspirierte ganze Generationen von Religionssoziologen und Religionswissenschaftlerinnen dazu, an diversen, z. T. kontra-intuitiven Orten nach «unsichtbarer» (und durch die Forschung sichtbar zu machender) Religion zu suchen.55 Hierbei können wir drei grössere Varianten unterscheiden. Eine erste Gruppe von Forschern sieht die unsichtbare Religion in diversen Phänomenen, die der Common Sense nicht unbedingt mit Religion in Verbindung bringen würde, die aber aus der Sicht der Wissenschaftler/innen ebenso ein «Bedürfnis nach letztem Sinn» oder nach «Ritual» abdecken. Gemäss der These der religiösen Dispersion von Hans-Joachim Höhn hat sich Religion in verschiedene kulturelle Versatzstücke der modernen Gesellschaft wie Fussball, Werbung, Fernsehen hinein verlagert.56 Der stark von Luckmann beeinflusste Hubert Knoblauch spricht in diesem Zusammenhang von populärer Religion.57 Eine zweite Variante besteht darin, die unsichtbare Religion in bisher weniger beachteten Elementen der traditionellen Religiosität zu sehen. Zwar, so diese Autoren, sinke die beobachtbare religiöse Praxis und die Verbindung zu den Kirchen. Aber die Leute hielten doch an ihrem Glauben fest. Dies ist die berühmte These des «Believing without belonging» von Grace Davie.58 Eine andere Form dieses «Believing without belonging» kann in der These von Roland Campiche einer «Dualisierung der Religion» gesehen werden.59 Zwar sinke die institutionelle Religiosität – aber eine universale Religiosität (die v. a. allgemeine Werte beinhaltet) bleibe bestehen. Eine |27| dritte Variante sieht die «unsichtbare Religion» in Phänomenen, die heute oft «New Age» oder «alternative Spiritualität genannt werden. Paul Heelas und Linda Woodhead haben gar von einer «spirituellen Revolution» gesprochen.60 Die kirchliche Religiosität würde langfristig durch Phänomene wie Astrologie, Yoga, Channelling, Engelsglauben, Kristall-Heilungen usw. ersetzt oder verwandle sich unmerklich in eine solche.61

Auch die Individualisierungstheorie ist scharf kritisiert worden. Zwar kann kein Zweifel daran bestehen, dass in den letzten Jahrzehnten in den westeuropäischen Ländern so etwas wie eine «Individualisierung» stattgefunden hat.62 Die Frage ist aber, wie sie Religion genau beeinflusst. Hier hat die Kritik sowohl empirische als auch theoretische Einwände geltend gemacht. Empirisch haben verschiedene Arbeiten gezeigt, dass es keine scharfe Trennung der Entwicklung von Believing und Belonging gibt63 und dass der Aufschwung der sogenannten alternativen Spiritualität den Niedergang der institutionellen Kirchlichkeit bei Weitem nicht aufwiegt. Von einer «spirituellen Revolution» kann also keine Rede sein.64 Theoretisch haben Kritiker bemängelt, dass Luckmann und seine Nachfolger Religion zu weit definieren. In der Folge kann so gut wie alles zu Religion werden, wodurch das Konzept jegliche Trennschärfe verliert. Rein aufgrund der Definition ist es dann nicht mehr möglich, eine «Abnahme» oder «Zunahme» von Religion zu beobachten.

Für unseren Zusammenhang ist ferner wichtig, dass sich die Individualisierungstheorie in genau gleicher Weise kritisieren lässt wie die Säkularisierungstheorie. Auch hier fehlt eine Akteurperspektive: Zwar wird behauptet, die Individuen würden immer individueller, aber in vielen Versionen der Individualisierungstheorie wird dies als abstrakter, die Individuen als Objekte erfassender Prozess dargestellt. So bleibt auch hier unklar, wie die Situationsveränderungen und daraus folgenden individuellen und kollektiven Handlungen zur Individualisierung geführt haben sollen und wie die Theorie mit den konkreten historischen Geschehnissen verbunden werden kann. Genau betrachtet haben die Individualisierungstheoretiker letztlich keine neue Erklärung für ein bestehendes Phänomen vorgeschlagen. Ihr wesentlicher Beitrag besteht vor allem in zweierlei: Zum einen weisen sie darauf hin, dass durch Modernisierung eine individuelle Wahlfreiheit in religiösen und spirituellen Belangen entsteht, die sehr entscheidende Auswirkungen |28| auf Religion und Religiosität hat. Zum anderen rufen sie dazu auf, das zu erklärende Phänomen neu zu definieren, m. a. W. Religiosität weiter zu fassen, als mit einer Konzentration auf christlich-kirchliche Religiosität erreicht wird. Diese beiden Punkte müssen u. E. von jeder zukünftigen Theorie religiösen Wandels aufgenommen werden.

Markttheorie

Vor allem seit den 1980er Jahren haben die Vertreter der sogenannten Markttheorie die Säkularisierungstheorie stark infrage gestellt. Eine Gruppe von vor allem US-amerikanischen Forschern – Rodney Stark, Roger Finke, William Bainbridge und Laurence Iannaccone – behauptete in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil dessen, was Modernisierungstheoretiker seit vielen Jahrzehnten als gesichertes Wissen angenommen hatten.65 Die Markttheoretiker bestreiten energisch, dass die Modernisierung westlicher Gesellschaften zu einer Abnahme von Religion und Religiosität geführt habe. Dies sei eine Selbsttäuschung, die es ein für alle Mal zu begraben gelte.66 Der religiöse Niedergang in Europa sei ein Mythos, religiöse Glaubensüberzeugungen in Europa seien nach wie vor sehr hoch, in früheren Zeiten seien die Personen viel weniger religiös gewesen als oft vermutet, und ganz generell sprächen die Entwicklungen in den USA, den arabischen Ländern und Osteuropa gegen die These fortschreitender Säkularisierung.67 Wenn nicht durch die Modernisierungstheorie, wodurch lassen sich dann die grossen Religiositätsunterschiede zwischen verschiedenen Ländern erklären?

Die Lösung sei – so die Markttheoretiker – bestechend einfach: Es genüge, Religion als einen Markt mit Anbietern (Kirchen und religiöse Gruppen) und Nachfragern (Gläubige) zu verstehen und die allgemeinen ökonomischen Marktgesetze von Angebot und Nachfrage anzuwenden.68 Eine entscheidende, dem Ansatz zugrundeliegende Annahme ist eine konstant gleichbleibende religiöse Nachfrage – d. h., dass Menschen überall auf der Welt im Prinzip die gleichen religiösen Bedürfnisse, den gleichen Durst nach «überweltlichen Gütern» aufweisen. Das aber bedeutet, dass Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern ausschliesslich durch unterschiedliches religiöses Angebot zu erklären sind, und dieses wiederum hängt zentral von der staatlichen Regulierung des religiösen Marktes ab. |29|

In regulierten Märkten (in denen wir z. B. ein Monopol oder Oligopol finden) würden die Menschen – so die These der Markttheorie – mit zu teuren und qualitativ tief stehenden religiösen Produkten versorgt. Religion sei deshalb unattraktiv und würde aus diesem Grund wenig nachgefragt. Dies erkläre die tiefe Religiosität in Westeuropa. In Ländern ohne Regulierung, in Ländern mit freier Konkurrenz also, stünden die religiösen Gemeinschaften miteinander im Wettstreit, eiferten um die Gunst der Gläubigen und produzierten genau diejenigen religiösen Güter, die den Menschen am besten zusagten. Die Konsequenz bestünde in einer hohen Gesamtreligiosität, wie sie sich etwa in den USA zeigt. Überhaupt sähe man, so die Markttheoretiker weiter, gerade an der Geschichte der USA, wie Industrialisierung und Modernisierung gerade nicht mit einer Abnahme, sondern mit einer Zunahme von Religiosität einhergegangen seien.69

Die Markttheorie weist im Vergleich zu Modernisierungs- und Individualisierungstheorie völlig andere Stärken und Schwächen auf. Positiv ist zu werten, dass diese Theorie die Akteurperspektive beinhaltet. Der Ansatz spricht nicht nur abstrakt von Prozessen, sondern von Individuen und kollektiven Akteuren (Kirchen, Organisationen usw.), die nicht nur passiv den Geschehnissen ausgeliefert sind, sondern diese aktiv gestalten können. Auch wird hier im Unterschied zu den zwei vorherigen Theorien ein klarer kausaler Mechanismus vorgestellt: Es ist einleuchtend, wie – der Theorie gemäss – unterschiedliche gesellschaftliche Makrobedingungen die Situation von Individuen und kollektiven Akteuren verändern, wie diese reagieren und wie sich hieraus die zu erklärenden neuen Situationen ergeben.

Der Schwachpunkt der Theorie liegt nicht in zu geringer Konkretheit, sondern gerade umgekehrt darin, dass ein sehr spezieller Mechanismus in unzulässiger Weise auf alle möglichen Zeiten und Gesellschaften verallgemeinert wird. So ist offensichtlich, dass sich Kirchen in sehr vielen Gesellschaften nicht als Firmen verstehen und Gläubige sich nicht wie Kunden verhalten.70 Empirisch zeigt sich, dass der von der Markttheorie postulierte Mechanismus oft nicht spielt. Vermehrter Pluralismus, ein freierer Markt und weniger Regulierung führen oftmals gerade nicht zu mehr Religiosität.71 Zudem kann auch der religiöse Bedarf nicht einfach als konstant angesehen werden, sondern unterliegt Veränderungen und Beeinflussungen durch die jeweiligen Regionen und Umweltbedingungen.

Auch wenn die Ideen der Markttheoretiker sich als Ganzes nicht bewährt haben, sind u. E. doch verschiedene Elemente ihrer Theorie durchaus brauchbar. |30| Vor allem die Idee der Konkurrenz um die Gunst, Zeit und Energie der Menschen werden wir für unsere eigene Theorie aufgreifen.

2.2 Die allgemeine Theorie religiös-säkularer Konkurrenz

Im Folgenden schlagen wir eine neue Theorie vor, die versucht, die genannten Schwierigkeiten der bisherigen Ansätze zu vermeiden. Die von uns vertretene Theorie sieht den religiösen Wandel als Resultat religiös-säkularer und intra-religiöser Konkurrenzverhältnisse auf verschiedenen Ebenen. Diverse interne und externe Faktoren (z. B. Kriege oder Erfindungen) wirken darauf ein, wer sich in diesen Konkurrenzverhältnissen durchsetzt. Ferner postulieren wir einen Wechsel des religiösen Konkurrenzregimes in den 1960er Jahren. Hiermit ist gemeint, dass die religiös-säkulare und intra-religiöse Konkurrenz betreffenden gesellschaftlichen Regeln in dieser Zeit einen tiefgreifenden Richtungswechsel durchgemacht haben. Wir skizzieren zunächst die allgemeine Theorie und wenden sie dann in einer «sozio-historischen Konkretisierung» auf den uns interessierenden Fall der Schweiz an.72

Eine terminologische Bemerkung: Unsere Theorie bezieht sich auf religiös-säkulare und intra-religiöse Konkurrenz; wichtig ist, dass der Konkurrenzbereich sowohl religiöse als auch säkulare Anbieter umfassen kann. Im Folgenden verwenden wir aus Gründen der besseren Lesbarkeit den Begriff «religiös-säkulare Konkurrenz» oft inklusiv, d. h., intra-religiöse Konkurrenz ist mitgemeint. Wo es ausschliesslich nur um das eine oder andere geht, machen wir dies speziell kenntlich.

Vorbemerkungen
Vorläufer der Theorie

Schon andere Forschende haben auf religiös-säkulare und intra-religiöse Konkurrenzverhältnisse hingewiesen. Wir finden diesbezügliche Befunde und Bemerkungen in so verschiedenen Disziplinen wie der Soziologie, den Wirtschaftswissenschaften, dem Marketing oder der Geschichte. Diese Einsichten sind allerdings bisher noch nie gesamthaft dargestellt und in einer einheitlichen Theorie zusammengefasst worden. Betrachten wir kurz die wichtigsten dieser Elemente.73 |31|

Eine Reihe von Autoren hat auf religiös-säkulare oder intra-religiöse Konkurrenz um Macht und Ansehen auf einer gesellschaftlichen Ebene oder innerhalb von Organisationen aufmerksam gemacht. So haben schon Max Weber und auch Pierre Bourdieu Konkurrenzverhältnisse zwischen Priestern, Propheten und Magiern in einem «religiösen Feld» analysiert.74 Andrew Abbott hat mit «Systems of Professions» eine hervorragende Arbeit vorgelegt, die zeigt, wie Kleriker und andere Professionen sich in einem ständigen Konkurrenzkampf um das Monopol über bestimmte Produktionsmöglichkeiten und Jurisdiktionen befinden.75 Christian Smith erklärt die Säkularisierung der Institutionen in den USA von 1870 bis 1930 als Ergebnis eines Konkurrenzkampfes zwischen protestantischem Establishment und neuen, säkularen Eliten. In ähnlicher Weise schlägt Mark Chaves vor, Säkularisierung auf drei Ebenen durch den Konkurrenzkampf um religiöse oder säkulare Autorität zu erklären.76 Schliesslich analysiert eine Forschergruppe um Monika Wohlrab-Sahr seit einigen Jahren Konkurrenzverhältnisse und Konflikte zwischen religiösen und säkularen Weltsichten (und den dahinter stehenden Eliten).77

Andere Autoren haben Konkurrenz um individuelle Nachfrage in den Vordergrund ihrer Analysen gestellt.78 Die Ökonomen Corry Azzi und Ronald Ehrenberg sowie im Anschluss daran Laurence Iannaccone haben ein Modell entwickelt, in dem Individuen zwischen religiöser und säkularer Zeitverwendung entscheiden können, so dass Kirchen, Arbeitgeber und Freizeitanbieter um die Zeit der Individuen in Konkurrenz stehen. In einer ebenfalls ökonomischen Studie haben Jonathan Gruber und Daniel M. Hungerman gezeigt, dass die Öffnung von Supermärkten an Sonntagen dazu führt, dass die Menschen seltener in die Kirche gehen.79 Die Soziologen Tony Gill und Erik Lundsgaarde haben in einer wichtigen Untersuchung darauf hingewiesen, dass der moderne Wohlfahrtsstaat in westlichen Ländern die religiösen Anbieter konkurrenziert, indem er ähnliche Güter anbietet.80 Jochen Hirschle, ebenfalls Soziologe, hat am Beispiel der Säkularisierung Irlands und in anderen Arbeiten gezeigt, wie die moderne Konsumkultur zu einem wichtigen Konkurrenten für Religion wurde.81 Und Historiker wie |32| Urs Altermatt, Hugh McLeod oder Mark Edward Ruff haben nachgezeichnet, wie der Jugendarbeit der Kirchen in der westlichen Welt nach 1945 durch Rock ’n’ Roll, James Dean, «Bravo», Kinos und Tanzhäuser ein unbezwingbarer Konkurrent erwuchs.82 Um all diese Analysen und Erkenntnisse in ein einheitliches Konzept zu fassen, benötigen wir einen theoretischen Rahmen. Diesen liefert uns die sogenannte analytische Soziologie.

Analytische Soziologie

Die analytische Soziologie ist ein im Wesentlichen auf dem Forschungsprogramm Max Webers basierender soziologischer Ansatz, der davon ausgeht, dass Soziologie rätselhafte soziale Phänomene mit Hilfe von deutendem Verstehen kausal erklären sollte. Dies bedeutet, dass man zum einen die subjektive Sicht der Akteure in hermeneutischer Weise zu rekonstruieren hat und zum anderen die genauen kausalen Mechanismen herausarbeiten muss, die zu einem spezifischen zu erklärenden Phänomen geführt haben.83

Die hierdurch entstehenden Erklärungen bauen auf dem Prinzip des methodologischen Individualismus auf, womit gemeint ist, dass die soziale Welt aus verschiedenen «Ebenen» besteht, die durch kausale Mechanismen miteinander verknüpft sind: eine Makro-Ebene kultureller und gesellschaftlicher Randbedingungen, eine Meso-Ebene (Gruppen, Organisationen, Milieus) und eine Mikro-Ebene individuellen Wahrnehmens und Handelns. Soziologische Erklärungen wollen immer Phänomene auf der Meso- oder Makro-Ebene erklären – dies ist jedoch nur möglich, wenn man sie als Ergebnisse des Verhaltens der Individuen auf der Mikro-Ebene auffasst.84

Aus der Sicht der analytischen Soziologie handeln Individuen meist (begrenzt) rational. Sie haben normalerweise «gute Gründe» für ihr Verhalten, wobei sie aufgrund ihrer Ressourcen, Präferenzen, Glaubensansichten wie auch aufgrund der wahrgenommenen geltenden Normen und des verfügbaren Angebots auswählen. Wenn ein Handeln von aussen als unverständlich oder irrational erscheint, ist es sinnvoll, mit qualitativen Methoden die Situation des betreffenden Individuums |33| zu untersuchen, was häufig zu einer befriedigenden Erklärung des Verhaltens führt.85 Indem viele (begrenzt) rationale Individuen aufgrund sich verändernder sozialer Umwelten in ähnliche Richtungen wählen, ergeben sich soziale Trends, z. B. Säkularisierungs- oder Resakralisierungsphänomene. Erst die Summe der vielen Einzelentscheidungen führt zu dem, was unser Modell letztlich erklären will.

Gute Erklärungen sind schliesslich aus der Sicht der analytischen Soziologie nur möglich, wenn sie in den historischen Kontext gestellt werden, d. h., wenn gezeigt wird, aufgrund welcher typischen Anfangsbedingungen (Ressourcen, Präferenzen, Glaubensüberzeugungen, Optionen) typische Akteure gehandelt haben.86 Hierfür eignen sich neben quantitativen insbesondere auch qualitative und historische Methoden.

Insgesamt hilft uns dieser Rahmen der analytischen Soziologie, die oben genannten Probleme der Modernisierungs- und Individualisierungstheorie zu vermeiden. Es wird so nötig, akteursorientiert zu denken und die genauen kausalen Mechanismen zu benennen, die die zu erklärenden Phänomene hervorbringen sollen.

Religion, religiöse Organisationen, Religiosität
Definitionen

Es ist offensichtlich, dass eine Theorie religiös-säkularer Konkurrenz nur Sinn macht, wenn religiöse und säkulare Phänomene sich trennen lassen. Für unsere Zwecke unterscheiden wir Religion, religiöse Gruppen und Religiosität in folgender Weise:87 |34|

 Religion ist die Gesamtheit der kulturellen Symbolsysteme, die auf Sinn- und Kontingenzprobleme mit dem Hinweis auf eine transzendente Realität reagieren. Die transzendente Realität beeinflusst gemäss dieser Symbolsysteme das tägliche Leben, lässt sich aber nicht vollständig kontrollieren. Religiöse Symbolsysteme beinhalten mythische, ethische und rituelle Elemente wie auch Vorstellungen von Heilsgütern.88 Die Verwendung einer transzendenten Ebene (mit Göttern, Geistern u. ä.) erlaubt es, Nichtverstehbares in einer symbolischen Weise dennoch zu verstehen und Nichtkontrollierbares in symbolischer Weise dennoch zu bearbeiten.89 Beispiele für Religionen sind etwa das Judentum, der Islam, das Christentum, der Hinduismus oder der Raelianismus.

 Religiöse Gruppen und Organisationen sind kollektive Akteure, die einen zentralen Bezug zu einer Religion aufweisen, also etwa eine religiöse Ideologie vertreten, religiöse Güter anbieten oder religiöse kollektive Aktivitäten durchführen. Beispiele sind etwa Kirchen, religiöse Zentren, Tempelgemeinschaften, Gebetskreise u. ä.

 Religiosität ist ein individuelles Erleben oder Handeln, insofern es sich auf ein oder mehrere Religionen bezieht. Religiosität weist verschiedene Dimensionen auf (Handeln, Erleben, Wissen, Glauben usw.).90 Der Besuch eines Gottesdienstes oder eines Meditationskurses, ein Gebet, eine Wallfahrt oder der Glaube an Engel sind Beispiele einer so definierten individuellen Religiosität.

Mit Hilfe dieser Definitionen können wir Religiöses von Nicht-Religiösem unterscheiden: Alle kulturellen, sozialen und individuellen Phänomene, die nicht religiös sind, gelten uns als säkular. Natürlich kommen in der Realität manchmal hybride Phänomene und Graustufen vor. Dennoch zeigt sich in konkreter soziologischer Arbeit, dass diese Definitionen in den meisten Fällen eine eindeutige Zuordnung in religiös bzw. säkular erlauben. |35|

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Serideki 16 kitap "Beiträge zur Pastoralsoziologie (SPI)"
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