Kitabı oku: «Sozialraumorientierung 4.0», sayfa 3

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Literatur

Böllert, Karin (Hg.) (2018): Kompendium Kinder- und Jugendhilfe, Band 2. Wiesbaden

Brünjes, Volker (2006): Der sozialräumliche Umbau der Berliner Jugendhilfe. In: Budde u. a. (2006), S. 73-108

Budde, Wolfgang/Früchtel, Frank/Hinte, Wolfgang (Hg.) (2006): Sozialraumorientierung. Wege zu einer veränderten Praxis. Wiesbaden

Feil, Naomi/de Klerk-Rubin, Vicki (2017): Validation. Ein Weg zum Verständnis verwirrter alter Menschen, 11. Auflage. München

Fürst, Roland/Hinte, Wolfgang (Hg.) (2019): Sozialraumorientierung. Ein Studienbuch zu fachlichen, institutionellen und finanziellen Aspekten, 3. Auflage. Wien

Haller, Dieter/Hinte, Wolfgang/Kummer, Bernhard (Hg.) (2007): Jenseits von Tradition und Postmoderne. Sozialraumorientierung in der Schweiz, Österreich und Deutschland. Weinheim/München

Herrmann, Heike (2019): Soziale Arbeit im Sozialraum. Stadtsoziologische Zugänge. Stuttgart

Herrmann, Klaus (2006): Einleitung. In: Herrmann, Klaus (Hg.) (2006): Leuchtfeuer querab! Wohin steuert die Sozialraumorientierung?, S. 20-40. Berlin

Hinte, Wolfgang (1999): Fallarbeit und Lebensweltgestaltung – Sozialraumbudgets statt Fallfinanzierung. In: ISA (Hg.) (2019): Soziale Indikatoren und Sozialraumbudgets, S. 82-94. Münster

Hinte, Wolfgang/Treeß, Helga (2014): Sozialraumorientierung in der Jugendhilfe. Theoretische Grundlagen, Handlungsprinzipien und Praxisbeispiele einer kooperativ-integrativen Pädagogik, 3., überarbeitete Auflage. Weinheim/München

Hinte, Wolfgang (2018): Gemeinwesenarbeit. In: Graßhoff, Gunther u. a. (Hg.) (2018): Soziale Arbeit, S. 205-216. Wiesbaden

Hinte, Wolfgang (2019): Gemeinwesenarbeit – unter Wert verkauft? In: Sozial extra 6/2019, S. 398-403

Hinte, Wolfgang/Noack, Michael (2017): Sozialraumorientierung: Ein unerforschtes Feld? In: Noack (2017), S. 11-22

Hinte, Wolfgang/Pohl, Oliver Marco (Hg.) (2018): Der Norden geht voran. Sozialraumorientierung in der Eingliederungshilfe im Landkreis Nordfriesland. Berlin

Kessl, Fabian/Reutlinger, Christian (2018): Sozialraumorientierung. In: Böllert (2018), S. 1067-1093

Krammer, Ingrid/Punkenhofer, Sonja (2019): Sozialräumliche Finanzierung in der Grazer Kinder- und Jugendhilfe. In: Fürst/Hinte (2019), S. 248-257

Miller, William R./Rollnick, Stephen (2015): Motivierende Gesprächsführung: Motivational Interviewing, 4. Auflage. Freiburg

Noack, Michael (2015): Kompendium Sozialraumorientierung. Geschichte, theoretische Grundlagen, Methoden und kritische Positionen. Weinheim/ Basel

Noack, Michael (Hg.) (2017): Empirie der Sozialraumorientierung. Weinheim/Basel

Pichlmeyer, Werner/Rose, Gerhard (Hg.) (2010): Sozialraumorientierte Jugendhilfe in der Praxis. Handreichung für kommunale Entscheidungsträger am Beispiel der Stadt Rosenheim. Berlin

Rosenberg, Marshall B. (2016): Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens, 12. Auflage. Paderborn

Schaden, Elias (2019): Freiwilliges Engagement in der sozialraumorientierten Kinder- und Jugendhilfe. Opladen/Berlin/Toronto

Schröer, Hubertus (2005): Zur Notwendigkeit sozialräumlicher Orientierung in der Kinder- und Jugendhilfe. In: Sozialraumorientierung in der Münchner Kinder- und Jugendhilfe. Tagungsdokumentation 18.02.2005, S. 24-42. München

Stephan, Birgit (2006): Das Sozialraumprojekt in der Jugendhilfe des Kreises Nordfriesland. In: Budde u. a. (2006), S. 147-167

Thiesen, Andreas (Hg.) (2018): Flexible Sozialräume. Der Fall im Feld der Frühen Hilfen. Weinheim/Basel

Waldvogel, Rosann (2007): Zürichs Soziale Dienste – ein umfassender Change. In: Haller u. a. (2007), S. 140-150

Fußnoten

1 Zahlreiche Schnittmengen sowohl bezüglich Menschenbild und Grundhaltung als auch methodischer Herangehensweisen gibt es zum „Motivational Interview“ (Miller/Rollnick 2015), zur gewaltfreien Kommunikation (Rosenberg 2016) sowie zur Theorie und zu Techniken der Validation (Feil/de Klerk-Rubin 2017).

2 Ich will nicht verhehlen, dass mich – gerade in letzterem Zusammenhang – manche Publikation der Kollegen Kessl/Reutlinger (s. u.) und May (s. dazu Hinte 2019) zwar nerven, mir jedoch die Hinweise auf einige in diesen Texten vorfindbare intellektuelle Unsauberkeiten oder gedankliche Verwirrungen umso mehr Freude bereiten.

2.Die fünf Prinzipien: Grundlagen, Vertiefungen und Praxisbeispiele
Manfred Tauchner
„Ja, dürfen’s denn das?“ – Die Welt als normierter Wille und sozialräumliches Vorstellungsvermögen

Eine an der Queen’s University in Belfast geführte Fachdiskussion im Juli 2018 gab unmittelbar Anstoß zu diesem Beitrag. Roland Fürst und ich von der Fachhochschule Burgenland1 stellten im Rahmen einer Studienreise das Fachkonzept Sozialraumorientierung (SRO) als Schwerpunkt unseres Studiengangs Soziale Arbeit vor. Den britischen Kolleg/innen eher rudimentär im Sinne Wolfgang Hintes „wehrloser Konzeptvokabel“ (Fürst/Hinte 2017, S. 10) des kontinentaleuropäischen, v. a. deutschsprachigen Diskurses bekannt, stieß eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den grundlegenden fünf Prinzipien und deren Implikationen für die derzeitigen Systeme sozialer Daseinsvor- und Nachsorge auf größtes Interesse der Fachleute aus Praxis und Lehre an der führenden Universität Nordirlands.

Dass die Kritik an der SRO innerhalb der deutschsprachigen Fachwelt Irritationen bis hin zu einem teilweise verschwörungstheoretisch anmutenden Ausmaß annehmen konnte (vgl. Fehren/Kalter 2012) verursachte auf den Gesichtern der Belfaster Kolleg/innen ein erstauntes „Why is that so?“.

Mit einem konsequenten Fokus auf dem Willen der leistungsberechtigten Adressat/innen, einer eindeutigen Präferenz der Aktivierung vor Betreuung, einem permanenten Pendelblick auf Ressourcen, mit zielgruppen- und bereichsübergreifenden Aktivitäten sowie der integrativen Vernetzung der sozialen Dienste und Stakeholder im jeweiligen Fallraum stelle SRO als Konzept ein modernes Verständnis von Sozialer Arbeit dar, was in der angloamerikanischen Tradition mittlerweile „state of the art“ sei, so der britische Tenor. Warum also diese augenfällige Reaktanz innerhalb der deutschsprachigen Fachwelt, die lokale Umsetzungsformen und Modellprojekte dieses Fachkonzepts „aus einem Guss“ (ebd.) in Kommunen und Regionen eher mit Argwohn als Neugier begleitete (vgl. Höllmüller 2014) und das Fachkonzept SRO bisweilen sogar mit einem von expansiver Exportlogik getragenen Krankheitserreger vergleicht (vgl. Schreier/Reutlinger 2013)?

1.Kritik der Kritik aus dem Elfenbeinturm

Eine „Kritik der Kritik“ am Konzept der Sozialraumorientierung erfordert es, die Kanten zu schärfen und aufzuzeigen, dass die gegenüber dem Konzept SRO und dessen konkreter Umsetzung in verschiedenen Kommunen bislang formulierten Besorgnisse eher einem Generalverdacht gleichen.

Ein engführendes Missverstehen zentraler Elemente der SRO wie des „Willens“ und ein Anspruch von theoretischer Deutungshoheit zum Begriff „Sozialer Raum“ münden in vordergründigen Argumenten: SRO diene sich als Komplizin neoliberaler Workfare-Methoden der Individualisierung, Responsibilisierung und Aktivierung an und betreibe – naiv oder als „hidden agenda“, da sind sich die Expert/innen im Elfenbeinturm nicht ganz einig – die Kürzung von Sozialbudgets, sie habe das politische Mandat im Sinne kritischer Sozialarbeit stillschweigend entsorgt (vgl. Bettinger 2012; Diebäcker 2008; Kessl/Reutlinger 2010; Otto/Ziegler 2008).

Zugegeben, auch meine erste Reaktion als Praktiker (2006) in der Sozialen Arbeit mit Straffälligen auf die fundamentale Infragestellung des aktuellen Gepräges der Sozialarbeit und Sozialpädagogik durch die Sozialraumorientierung war vor vielen Jahren ein kritisches „Woher nimmt sich dieses Konzept das Recht, die Verhältnisse neu zu deuten und zu gestalten?“.

Tatsächlich ist diese Reaktanz schon selbstreferenziell; zeugt die massive Skepsis doch davon, dass die Erschütterung, die das Konzept der SRO v. a. für das nur vermeintlich geltende, gemeinsame Verständnis von Fachlichkeit in der Sozialen Arbeit darstellt, tiefgeht, tatsächlich – im Sinne von an die Wurzel gehend – radikal ist und so die Frage aufwirft: Was will die Soziale Arbeit im Europa des 21. Jahrhunderts? Wenn der SRO en passant Beliebigkeit und Konturlosigkeit vorgeworfen wird (Schreier/Reutlinger 2013), drückt sich hier etwa die eigene professionelle Verunsicherung einer Profession auf tönernen Füßen aus? Im Gefolge dieser Debatte spitzt sich offensichtlich eine Ex-Kathedra-Diskussion zu: Was dürfen die Adressat/innen und die Profis wollen?

Die Antwort darauf ist vielschichtig, weil sie viele gewohnte Annahmen vom Kopf auf die Beine stellen muss. Die Ursachen liegen dabei m. E. auch in den nach wie vor wirksamen Entwicklungslinien Sozialer Arbeit in deutschsprachigen Ländern theokratischer Prägung und monarchisch-obrigkeitsstaatlicher Tradition sowie deren Tendenz, einen an konkreten Lösungen orientierten Pragmatismus dem Moloch einer nur scheinbar verallgemeinerbaren, theoretischen Begründbarkeit des Handelns zu opfern.

Der Unterschied in der historischen Entwicklung ähnelt dem im angloamerikanischen Raum prominenten „Case Law“ zum kontinentaleuropäisch materiell-rechtlichen Zugang zur Rechtsprechung und Fortschreibung, indem auf die Komplexität des jeweiligen Sachverhalts nicht in erster Linie ein formalistischer Katalog angelegt wird, sondern die Form dem Inhalt folgt und pragmatisch-evolutionär passgenaue Lösungen weiterentwickelt werden.

An den fachlichen Verwerfungen rund um den Respekt vor dem Willen der Adressat/innen Sozialer Arbeit zeigt sich eine Starrheit Sozialer Arbeit in behördlich-obrigkeitsstaatlicher Tradition („Europäische Schule“) im Vergleich zu einer adaptiv-flexiblen Provenienz („Angloamerikanische Schule“). Die „Titanic“-Sozialarbeit, die sich in erster Linie als Teil staatlicher Hoheitsverwaltung versteht und als solche dem Eigenwillen der Nutzer/innen prinzipiell eher argwöhnisch begegnet, bewegt sich auf Kollisionskurs mit dem „Eisberg“ der Sozialraumorientierung.

Diesem traditionellen Diskurs auf dem falschen Dampfer stellt sich SRO ja in den Weg als Ausdruck eines theoretisch breit fundierten, jedoch unprätentiösen, „polytheistischen“ Pragmatismus, wie er von Ludwig Marcuse (1994) beschrieben wird und von dessen streitbarem Geist auch die angloamerikanische Sozialarbeit durchdrungen ist.

2.Historischer Exkurs: Bürokratischer Paternalismus und der Versuch einer Normierung des Willens

Das Establishment der Sozialen Arbeit teilt also gegenüber der SRO und ihren Implikationen das Erstaunen Ferdinand des Gütigen (1793-1875) angesichts der revoltierenden Arbeiterschaft in Wien 1848: „Ja, dürfen‘s denn das?“, meinte der österreichische Kaiser naiv, als die Arbeiter/innen auf die Barrikaden stiegen. Sie dürfen nicht nur – sie wollen und tun.

Als im 18. Jahrhundert das politische Konstrukt einer „volonté générale“ – eines fiktiv allgemeinen Willens, der den Willen Einzelner bzw. sozialräumlicher Gruppen ex lege normieren soll und darf – seinen Siegeszug antrat, baute sich in dessen Schlagschatten eine Bürokratie auf, die sowohl dem Monarchen als auch dem – im noch unerfahrenen Parlamentarismus sich entwickelnder Demokratien – mächtigen Staat die Umsetzung der vorherrschenden Interessen ermöglichte. Soziale Arbeit entwickelte sich in und an den Bruchlinien dieser höchst divergenten und machtungleichen Interessen. Ihre Pionier/innen griffen insbesondere Gesundheit und soziale Absicherung der arbeitenden Bevölkerung „bottom up“ auf.

So waren es der notwendigerweise in manchen Phasen auch auf die „Straßen getragene“ manifeste Wille und die Wirkmacht der Betroffenen, die Normentwicklung und Normänderungen teils auf revolutionärem, teils auf demokratischem Wege erreichten. Parallel zu diesem Prozess progressiver Etablierung von Wohlfahrtsstaaten gingen der Parlamentarismus und die jungen Demokratien jedoch daran, Soziale Arbeit breitflächig zur Normanpassung in den sich entwickelnden Industriegesellschaften zu instrumentalisieren. Die dunkelsten Kapitel der Professionsgeschichte in Faschismen und Totalitarismen unterschiedlichster Provenienz legen grausames Zeugnis darüber ab.

Nach dem bösen Erwachen infolge von Diktatur und Weltkrieg konnten sich auch die Protagonisten der Sozialarbeit dem Sog des gesellschaftlichen Umbruchs der 1968er-Bewegung nicht entziehen – ja, trugen diesen vielerorts auch innovativ-radikal mit, wenn wir etwa an die Deinstitutionalisierung der 70er Jahre und den ersten Boom der Gemeinwesenarbeit denken.

3.Sozialraumorientierung versus Status quo – wes Brot ich ess‘, des Lied ich sing

Längst hat jedoch Ende des 20. Jahrhunderts die Soziale Arbeit einen Burgfrieden mit dem neoliberal aktivierenden Workfare-State geschlossen, den ihre Vertreter/innen in Sozialpolitik und Sozialadministration sowie ihre Vertragspartner/innen bei den Trägerinstitutionen nun durch das aufrührerische Konzept der Sozialraumorientierung bedroht sehen. Der SRO gleichzeitig zu unterstellen, dass sie diese Komplizenschaft selbst betreibe, ist Ausdruck einer klassischen „Haltet den Dieb!“-Strategie.

Denn wenn die SRO einen „New Deal“ einfordert, der v. a. die Interessen und den Willen der unmittelbar von Interventionen und Angeboten der Sozialen Arbeit Betroffenen im Fokus hat, macht sie sich hoch verdächtig, diesen Burgfrieden zu stören.

SRO tut dies in zweierlei Hinsicht: Einerseits, indem sie die gewohnte Marktlogik und die Finanzierung der Träger über das Lukrieren ihrer jeweiligen Spezialfälle auf die Vorderbühne zerrt. Andererseits macht dieses Fachkonzept insbesondere durch die Fokussierung auf die im Sozialraum vorhandenen (oder eben aufgrund struktureller Benachteiligung eben nicht vorhandenen) Ressourcen aufmerksam und zwingt – freundlich, aber konsequent – die kommunal sozialpolitisch und -planerisch Verantwortlichen zu einem Offenbarungseid. Hic Rhodos, hic salta, Kommunalpolitik!

Wenn die einzelnen Träger in Sozialraumteams ihre Interessen vor allen Stakeholdern und letztlich auch vor den Nutzer/innen Sozialer Arbeit offenlegen müssen, wird der (grundsätzlich auch nicht unberechtigte, weil vom Willen der Einrichtungsbetreiber getragene) Eigennutzen vor dem Sozialraumnutzen rasch transparent und somit verhandelbar.

Diesen Institutionen und den dort beschäftigten Kolleg/innen die Sorge zu nehmen und deutlich zu machen, dass unter Umständen ihr derzeitiges institutionell-professionelles Produkt in der konkreten Situation oder in absehbarer Zeit nicht mehr nachgefragt wird bzw. – im Sinne eines sozialpolitisch-gesellschaftlichen Fortschritts – glücklicherweise nicht mehr nachgefragt werden muss, gilt es in der Fachöffentlichkeit sowie in den Aus- und Fortbildungsinstitutionen klar zu kommunizieren.

An dieser Stelle sei mir ein mehr als augenfälliges Beispiel gestattet: Hätte die Institution der Tuberkulose-Fürsorge, die im Wien des beginnenden 20. Jahrhunderts die Gesundheitssituation in den Wohnquartieren massiv verbessert hat, dafür sorgen sollen, dass ihre Leistungen auch weiterhin dauerhaft nachgefragt werden? Eine horrende Vorstellung, die letztlich auf Neuinfektionen durch Hintertreibung des eigentlichen Ziels hinausgelaufen wäre! Wenn es jedoch ein – auch klar budgetiertes – Commitment der politisch Verantwortlichen im Sozialraum gibt, die Gesundheit der Menschen über das bewältigte Thema TBC hinaus weiter zu verbessern, ist gesichert, dass die professionelle Erfahrung und das Know-how dieser Institutionen und der darin beschäftigten Fachkräfte für ähnlich gelagerte oder neue Themen nutzbar bleiben (Prävention, Sucht, HIV…).

Die in praktischen Umsetzungskonzepten der Sozialraumorientierung angelegte Strategie, die Anbieter Sozialer Arbeit und die meist behördlichen Auftraggeber in Sozialraumteams auf Augenhöhe an einen Tisch zu bringen und über ein Sozialraumbudget zu finanzieren, zog und zieht vordergründig die Kritik auf sich, hier träfe sich ein abgeschlossener Zirkel und verteile in „quasimafiöser“ Manier die vorhandenen bzw. per politischem Federstrich gedeckelten Mittel.

Dass hier jedoch genau sozialplanerisch das passiert, was pragmatisch Sinn macht, wird außer Acht gelassen: Die Versäulung der Angebotspalette, die in einer Erhaltungs- und Expansionslogik notwendigerweise zu steigenden Fallzahlen in den jeweiligen Spezialeinrichtungen führen muss, wird thematisiert. Das Gerangel „um den Klienten/die Klientin“ wird in kleinräumigen Einheiten besonders deutlich: Ein Klient „beschäftigt“ eine Vielzahl von Institutionen und wird in aufwändigem Schnittstellenmanagement von einer Spezialeinrichtung zur nächsten gereicht. Fallvermeidung bzw. frühzeitige Unterstützung durch fallunspezifische, zielgruppenübergreifende Arbeit ist in diesen Abläufen naturgemäß kein Thema.

Auch das augenfällige Hysteron-Proteron von „Containerisierung“ bzw. einem Einsperren von soziomateriell marginalisierten Gruppen in ihren deprivierten Regionen und Stadtteilen (vgl. Kessl/Otto 2007) durch die Protagonist/innen der SRO erfüllt vollkommen den englischen Begriff für absurd, i. e. „preposterous“, in dessen Etymologie die Verwechslung von „Vorher“ und „Nachher“, von Ursache und Wirkung deutlich wird. Kurzum: Die Mechanismen von Armutsverdrängung und Deprivation waren schon wirksam, ehe die SRO den Finger auf die Wunde legte.

4.Fiat voluntas tua – Dein Wille geschehe?

V. a. das zentrale und oberste Prinzip der SRO („Am Willen des Klienten ansetzen“) erschüttert nach wie vor vielfach das Selbstverständnis der Praktiker/innen.

Die unlautere Verkürzung dieses Prinzips als unkritische Willfährigkeit gegenüber den Wünschen der Nutzer/innen (vgl. Fürst/Hinte 2017, S. 18) verkennt allerdings, dass sich der Wille eines Menschen permanent in seiner jeweiligen Existenz manifestiert. Und zwar je nach den Möglichkeiten, die dem Intellekt des Individuums im jeweils konkreten sozialräumlichen Arrangement, i. e. seiner „Welt“, zugänglich sind, also willkürlich im Sinne Arthur Schopenhauers (vgl. Schopenhauer 1996).

Ja, die Suche der Expert/innen nach diesem unter Wünschen nur scheinbar „verschütteten echten“ Willen der Leistungsberechtigten gestaltet sich nicht zuletzt deshalb so schwierig, weil er manifest vor den Augen ist, sich aber im gesellschaftlich-normativen Kontext häufig so nicht manifestieren soll.

Folgen wir dem – aus Schopenhauers Preisschrift „Über die Freiheit des Willens“ (Schopenhauer 1986) abgeleiteten – Diktum „Der Mensch kann zwar tun, was er will. Er kann jedoch nicht wollen, was er will“, sind gerade die sozialräumlichen Kontexte aufschlussreich hinsichtlich des individuellen Willens und dessen Objektivation in Reaktion auf die gegebenen Umstände.

Den Phänomenen eigensinniger lebensweltlicher Alltagsvollzüge und der Frage individueller Verantwortung begegnet die Soziale Arbeit in ihren verschiedensten Handlungsfeldern meist leider nach wie vor mit Interventionsprogrammen, deren Anspruch auf genuines User-Involvement und Respekt vor dem sich manifestierenden Willen nur ein Lippenbekenntnis bleibt.

Diese Haltung geißelt bereits der „Philosoph des Willens“ Arthur Schopenhauer als das Wesen von Unrecht eo ipso – i. e. „die Verneinung des fremden Willens zur stärkeren Bejahung des eigenen“ (vgl. Schopenhauer 1986). Ein wohlmeinender sozialarbeiterischer Zugang von „Ich höre Dir als Nutzerin Sozialer Arbeit zwar zu, aber ich weiß schon, was besser für Dich ist“ (vgl. Fürst/Hinte 2017, S.17) kann und muss in diesem Sinne auch als (professions)ethisches Unrecht inkriminiert werden. Die Praxis Sozialer Arbeit oszilliert notwendigerweise zwischen ihren Aufträgen „Normanpassung“ und „Normänderung“. Die damit einhergehende Versuchung der Professionist/ innen ist allemal, die selbstexplorierende Auseinandersetzung des/der Adressaten/Adressatin kommunikativ so zu steuern, ja im schlechtesten Fall zu manipulieren, dass ein latent vorausgesetztes Ziel tendenzieller Normanpassung (das in der eigenen bzw. organisationalen Routine einfacher zu erreichen und zu evaluieren ist als etwa fordernde Normänderungsprozesse im Sinne systemischer Inklusionsförderung) in der Klienten-Sozialarbeiter-Interaktion ein „It goes without saying!“ zu Lasten des Klientenwillens darstellt.

Dort, wo sozialarbeiterische und sozialpädagogische Expert/innenlogik auf die – zwar gerne postulierte – unabdingbare Freiheit des Willens jedes/ jeder einzelnen Nutzers/Nutzerin Sozialer Arbeit prallt, greift das vorgeschobene Konstrukt der „volonté général“ auf Subjekte und Gemeinwesen mit oktroyierten Lösungen mehr oder weniger ungeniert über.

In einer provokanten Hyperbel und analog zum launigen Diktum, dass die Politik doch das Volk auflösen und sich ein neues wählen möge: Wenn die Soziale Arbeit sich selbst ein vom Willen der Nutzer/innen weitgehend entkoppeltes Mandat gegeben hat/zuordnen hat lassen, tut eine Kurskorrektur entlang der Sozialraumorientierung not.

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