Kitabı oku: «Das Erbe der Burgherrin», sayfa 3
Kapitel 6
Engela, die Tochter von Ritter Wilher und seiner Gemahlin Klara, saß auf einem Findling am Rande des Ritterübungsplatzes und sah den Rittern bei ihren Übungen zu. Die Sonne erwärmte ihren Körper. Sie warf ihre blonden Locken kokett nach hinten und zog den Ausschnitt ihres braunroten Kleides zurecht, sodass ihr jugendlicher Busen besser zur Geltung kam. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt Graf Konrad. Wie geschickt er das Schwert führte und mit welcher Kraft und Leichtigkeit er die jungen Knappen in ihre Schranken wies!
Wenn er doch nur zu ihr rüber sehen würde, wenn er sie doch endlich beachten und nicht mehr als Kind ansehen würde! Sie konnte nur noch an ihn denken. Jede Nacht träumte sie davon, dass er sie in seine starken Arme nehmen und ganz fest an sich drücken würde.
Konrad war mit seinen Übungen fertig und zog den Helm aus. Ein Knappe reichte ihm ein Tuch, mit dem er sich den Schweiß von der Stirn wischte. Engela überlegte, wie sie seine Aufmerksamkeit auf sich richten könnte, doch Konrad wandte sich in die entgegengesetzte Richtung und hob die Hand zum Gruße. Engelas Blick fiel auf die Gräfin, die zusammen mit ihrem Sohn auf der anderen Seite des Übungsplatzes gestanden hatte. Voll Bedauern sah sie zu, wie der Graf seine Gattin herzlich küsste und kurz an sich drückte und dann den Sohn begrüßte. Nachdem Konrad seine Rüstung abgelegt hatte, ging er mit seiner Familie von dannen. Engela blickte ihnen bedauernd nach. Warum musste er nur verheiratet sein? Was hatte diese Mechthild, dass ihr Mann sie so liebte? Wie konnte sie nur zwischen den beiden Zwietracht sähen? Sie musste Konrad haben!
Indes sich Engela grämte, begaben sich Mechthild, Konrad und Arnold vergnügt hinunter zum Flecken, um Arnolds Hund abzuholen.
„Ich freue mich so! Ich habe auch schon einen Namen für ihn. Ratet mal, wie er heißen soll!“
„Lenis erster Hund hieß Jaschko und ihr zweiter Bodo. Soll er vielleicht so heißen?“
„Nein. Ben soll er heißen!“
„Oh, Ben ist ein schöner Name!“
Die drei gelangten an das Haus des Steinmetzes, dessen Hündin vor über einem halben Jahr vier Welpen auf die Welt gebracht hatte. Zwei der Jungen waren bei ihrer Mutter geblieben. Diese begrüßten die Neuankömmlinge aufgeregt. Die Frau des Steinmetzes trat auf den Hof. Sie wischte sich die Hände an der braunen Schürze ab, die sie über ihr Überkleid gebunden hatte, und empfing ehrfürchtig das Grafenpaar. Eine graue Strähne spitzte unter ihrer weißen Haube hervor.
„Der Junge kann sich ruhig einen der beiden aussuchen. Sie sind tadellos.“
Arnold kniete sich zu den jungen Hunden, die ihm um die Beine sprangen, und streichelte einen nach dem anderen. Einer war schwarz-weiß-braun gescheckt und der Zweite hatte ein schwarzes Fell. Die samtigen Ohren hingen herab und die Schnauze war schmal und weich. Die Hündin versuchte, ihre Jungen von den Fremden wegzudrängen. Doch der Schwarze ließ sich nicht von Arnold abhalten. Er versuchte, an ihm hochzuspringen und ihm das Gesicht abzulecken.
„Ich möchte den Schwarzen!“, rief Arnold schließlich. „Er sieht so aus, als könnte er mich am besten beschützen.“
„Der Hund ist zwar nicht so groß, dass er einen Angreifer in die Flucht schlagen würde, aber die Witterung wird er auf jeden Fall aufnehmen, wenn sich ein Fremder nähert und Alarm schlagen“, meinte Konrad lächelnd. Auch er beugte sich zu dem Hund hinunter und kraulte ihn.
„Dann wäre das entschieden. Du bist nun der kleine Ben.“ Auch Mechthild tätschelte den Hund.
Konrad überreichte der Frau des Steinmetzes einen kleinen Beutel mit Münzen und legte dem Hund ein Lederhalsband um, an dem er einen Strick befestigte.
Die drei machten sich auf den Rückweg und Arnold sprach ohne Unterlass mit seinem neuen Freund. Er erklärte ihm genau, woran sie vorbeikamen, und kraulte ihn ständig. Mechthild und Konrad gingen Hand in Hand hinter dem Jungen her und lächelten sich an.
„Ich weiß noch genau, wie sehr ich als Kind an Lenis Jaschko hing. Obwohl der in meiner Erinnerung immer riesengroß gewesen war, aber er ließ einfach alles mit sich machen. Abends habe ich oft vorm Herdfeuer neben ihm gelegen und mich an ihm gewärmt.“
„Ich hatte eine kleine Katze, mit der ich immer gespielt habe. Irmgard und ich, wir hatten oft Streit darum, auf wessen Schoß sie liegen sollte.“
Sie passierten den Ritterübungsplatz, wo Arnold den Rittern Stolz seinen Hund präsentierte.
„Der ist wirklich schön, Arnold“, meinte ein Knappe zwinkernd.
„Ich muss Ben unbedingt den Mädchen zeigen! Die werden Augen machen!“ Arnold zerrte den Hund, der erstaunt über so viel Ungestüm winselte, zum Burghof, und rief nach Katharina und Jutta.
„Arnold, mach langsam! Der Hund ist keine Puppe!“, rief Konrad seinem Sohn nach, der sogleich sein Tempo verringerte und den Hund beruhigend kraulte.
„Hoffentlich weiß er, dass Hunde auch beißen können“, bemerkte Ritter Landolf kopfschüttelnd, der das Ganze beobachtet hatte.
Arnold indes wurde von seinen Basen auf dem Burghof empfangen.
„Ist das dein Hund, Arnold? Der ist wunderbar! Darf ich auch mal die Leine nehmen?“, fragte Katharina begeistert und Jutta meinte: „Einen wirklich schönen Hund hast du. Wie heißt er denn?“
„Er heißt Ben“, sagte Arnold voller Stolz und reichte Katharina die Leine. Diese streichelte Ben kurz und wollte ihn über den Hof führen, doch Ben schnupperte lieber alles ab.
Arnold nahm wieder die Leine und versuchte sein Glück, doch Ben hatte seinen eigenen Kopf und blieb überall stehen, um neugierig zu schnuppern.
„Da musst du wohl noch ein wenig üben“, meinte Jutta und lachte, als Arnold verzweifelt versuchte Ben davon abzuhalten, schnurstracks zu den Hühnern am anderen Ende des Hofes zu rennen.
„Aus, Ben! Aus!“, rief er, doch der Hund dachte nicht daran, auf seinen neuen Herrn zu hören.
„Halte mir nur den Hund von meinen Hühnern fern, junger Herr!“, rief Emma, die Köchin, die gerade auf den Hof trat.
„Ich weiß nicht, wie ich ihn halten soll! Aber er macht ihnen bestimmt nichts. Er ist doch nur ein wenig größer als die Hühner!“
„Trotzdem würde ich es nicht darauf ankommen lassen.“
Arnold traute sich nicht die Leine zu stramm zu halten, er wollte Ben nicht wehtun.
„Warte, ich zeige dir, wie du mit deinem Hund umgehen musst!“
Emma nahm Arnold die Leine aus der Hand und führte den Hund energisch von den Hühnern weg.
„Siehst du? So musst du das machen. Du musst ihm zeigen, wer der Herr ist.“
„Aber Emma, seit wann bist du denn ein Herr?“, rief Katharina lachend.
„Ihr wisst genau, was ich meine. Hier, Arnold, nimm du jetzt die Leine.
Nimm sie ganz kurz, damit er direkt neben deinen Füßen gehen muss.“
„So, Emma?“
„Ja, genau so und nun geh mit ihm eine Runde über den Hof.“
Arnold und Ben zogen ihre Runde, und immer, wenn der Hund neugierig stehen bleiben wollte, um an etwas zu schnuppern oder doch eine andere Richtung einschlagen wollte, zog Arnold die Leine stärker an.
„Das machst du sehr gut. Jetzt musst du ihn zur Belohnung kraulen und ihm gut zu reden.“
„Hast du nicht einen Knochen übrig, den ich ihm geben könnte?“
„Ja, du kannst mit mir in die Küche kommen.“
Arnold und Ben folgten der Köchin und auch die beiden Mädchen schlossen sich ihnen an.
„Da riecht´s aber gut, Emma!“
„Heute gibt es Apfelkuchen, den habe ich gerade erst aus dem Ofen herausgeholt.“
„Meinst du, wir könnten ein Stückchen davon haben?“ Katharina schnupperte mit ihrer kleinen Nase und blickte die Köchin aus großen, grünen Augen bittend an.
„Wer könnte bei diesem Blick schon „nein“ sagen?“, lachte Emma und schnitt von dem Kuchen ein Stück ab, welches sie unter den Kindern verteilte. Diese stopften sich begeistert den warmen Kuchen in den Mund.
„Warm schmeckt er immer am besten“, meinte Arnold mit vollem Mund und wischte sich mit dem Ärmel die Krümel aus dem Gesicht.
„Aber Arnold, das macht man doch nicht mit dem Ärmel!“, schalt ihn Jutta, die sich immer herausnahm, Arnold und Katharina Benehmen beizubringen.
Nachdem Ben versucht hatte, möglichst viele Kuchenkrümel zu ergattern, hatte er sich in der Küche neugierig umgesehen und beschlossen, dass auf dem Tisch wohl etwas Interessantes liegen musste. Mit großer Mühe versuchte der kleine Kerl, auf den Eichentisch zu springen.
„He, Ben! Lass das!“, rief Arnold und nahm ihn auf den Arm.
„Er weiß wohl, dass ihr eigentlich in die Küche gekommen seid, um ihm etwas zu fressen zu holen und nicht um euch selbst die Bäuche voll zu stopfen“, scherzte Emma und holte einen alten Knochen aus der Kammer hervor.
„Hier nimm und dann raus mit euch.“
Die drei Kinder nahmen den Knochen und kehrten mit Ben zurück auf den Hof.
„Hier, mein guter Junge“, sprach Arnold zu dem Tier und hielt ihm den Knochen, an dem noch ein paar Fleischreste hafteten, entgegen. Ben wedelte mit dem Schwanz und begann sogleich gierig daran zu nagen.
„Oh, sieht das süß aus!“, rief Katharina begeistert und sah dem Hund beim Fressen zu.
„Ich hole ihm eine Schale mit Wasser“, bot sich Jutta an und ging zurück zur Küche.
Die drei Kinder verbrachten den Rest des Tages begeistert damit, mit dem Hund zu spielen. Am Abend schlief dieser müde und erschöpft zu Konrads Füßen ein.
Kapitel 7
Hartmut, Wolfgang und die Räuber umritten den Höcherberg und legten eine Rast in der Nähe des Dorfes Bexbach ein.
„Wir werden uns dort mit Vorräten eindecken. Heute Abend erreichen wir den Homburger Wald, wo wir uns auf die Lauer legen.“
„Der Lange soll mit dem Wagen in den Ort fahren und sich als Händler ausgeben. Er kann von dem Tuch verkaufen und im Gegenzug Brot, Speck, Rüben und Wein erwerben“, schlug Sveti vor.
„Das ist ein guter Einfall. Er soll noch Seifenpulver mitbringen. Wolfgang und ich, wir rasieren uns die Bärte ab, damit uns niemand erkennt. Jetzt wo wir so nahe an der Homburg sind, müssen wir aufpassen. Es ist zwar schon ein paar Jahre her, seit wir das letzte Mal hier gewesen sind, aber wie der Zufall will, läuft uns doch noch einer über den Weg, der uns kennt.“
„Da haben wir aber Glück, dass wir noch nie hier waren, sonst müssten wir uns auch noch die Bärte stutzen. Könnt ihr euch Smolek ohne Bart vorstellen?“
„Nie und nimmer! Passt auf, heute Nacht, wenn er schläft, rasieren wir ihm alle Haare aus dem Gesicht!“
„Untersteht euch! Wenn ihr das macht, schlitze ich euch eigenhändig mit dem Rasiermesser die Kehle auf!“, drohte Smolek und erhob wütend die Faust.
„Reg dich wieder ab!“, das war doch nur ein Scherz, beruhigte Sveti ihn. In der Zwischenzeit war der Lange aufgebrochen und lenkte das Fuhrwerk in den kleinen Ort.
„Gutes Tuch! Feines Tuch für die Damen!“, rief er. Ein paar Bewohner traten auf die Gassen und sahen neugierig, was der vermeintliche Händler zu bieten hatte.
„Was willst du für fünf Ellen von dem grünen Stoff?“, fragte eine Bäuerin und ließ den weichen Stoff durch ihre Finger gleiten. Der Lange nannte einen Preis.
„Was? Das ist doch viel zu viel! Für die Hälfte würde ich ihn nehmen.“
„Für die Hälfte, Weib, kannst du mir den Buckel runterrutschen!“
Die Bäuerin erhöhte ihr Angebot und der Lange schlug ein. Er wurde noch ein paar Ellen des Stoffes los.
„Sag mir, wo bekomme ich hier etwas zu essen?“
„Du kannst mit mir kommen“, forderte ihn die Bäuerin auf. Er lenkte das Fuhrwerk Richtung Bauernhof und erwarb Schinken, Käse, Brot, Rüben, Äpfel, Wein und Seife. Dann fuhr er zurück zu der kleinen Lichtung am Bexbach, wo ihn seine Kumpanen schon erwarteten.
„Na, hast du uns etwas mitgebracht?“
„Ja, die Bauern haben mir einiges von dem Tuch abgekauft, sodass ich uns einen großen Vorrat an Essen besorgen konnte.“
Sveti und die anderen blickten anerkennend auf die Vorräte.
„Was man mit ehrlicher Arbeit alles erreichen kann!“, wunderte sich Smolek.
„Ganz ehrlich war das nicht! Oder woher stammte der Stoff?“, fragte Hartmut.
„Lasst uns etwas essen, bis sich die Herren Ritter rasiert haben.“
Die Räuber aßen Brot mit Käse. Beim Wein hielten sie sich zurück. Als sich Hartmut und Wolfgang gegenseitig das letzte Haar aus dem Gesicht geschabt hatten, brachen sie auf.
„Euch erkennt niemand mehr. Das mit dem Bart war eine gute Idee“, begutachtete Sveti die Ritter. Sie ritten durch den Wald, bis sie schon von Weitem den hohen Berg mit der Homburg erblickten.
„Wir müssen einen Umweg durch den Wald machen, damit man uns auf der freien Ebene vom Bergfried aus nicht sieht.“
„Wir sehen doch aus wie ganz gewöhnliche Reisende.“
„Trotzdem soll sich niemand an uns erinnern. Fremde sind immer verdächtig, wenn ein Verbrechen geschieht!“
„Das stimmt.“
Sie lenkten das Fuhrwerk und ihre Pferde durch den dicht gewachsenen Wald und hatten Glück, dass ihnen niemand begegnete.
„Dort vorne müssen wir über die Bergnase und dann schlagen wir unser Lager am Lambsbach auf.“
„Wie kriegen wir heraus, wann die Gräfin alleine unterwegs ist?“
„Einer von uns sollte hoch zur Burg und auskundschaften, was die Dame so treibt.“
„Das macht am besten der Lange, der ist schon einmal als Händler durchgegangen und sieht am harmlosesten aus.“
Als sie einen gut versteckten Rastplatz gefunden hatten, stiegen sie von ihren Pferden und richteten ihr Nachtlager her.
„Zum Glück hat der Lange so gut für uns eingekauft. Jetzt können wir kräftig zuschlagen.“
„Aber lasst noch etwas für die nächsten Tage übrig. Wir wissen nicht, wann wir wieder etwas besorgen können.“
Die Räuber aßen Brot, Käse und Speck und sprachen reichlich dem Wein zu, bis Wolfgang sie ermahnte:
„Macht nicht einen solchen Lärm, oder wollt ihr, dass man euch bis zur Burg hört?“
„Schon gut, schon gut! Der Smolek kann den Rest im Krug haben, dann legen wir uns nieder.“ Hagen reichte Smolek, der kaum noch stehen konnte, den Krug und sah zu, wie dieser gierig den Rest hinunterkippte.
„Das tut gut, was?“
„Ja“, sagte Smolek von einem lauten Rülpsen begleitet und ließ sich auf sein Nachtlager sinken.
„Schnell Sveti, den kriegen wir jetzt dran!“, rief Hagen spitzbubenhaft.
Der Räuberhauptmann holte Seifenpulver, Wasser und ein scharfes Messer hervor. Mit einem diebischen Grinsen bereiteten Sveti und Hagen Rasierschaum und strichen ihn auf Smoleks Bart.
„Morgen früh wirst du Augen machen“, grinsten sie und rasierten die schmutzig verfilzten Haare aus dem Gesicht. Noch lange lachend legten sie sich nieder.
Der Morgen dämmerte, als plötzlich ein Schrei durch den Wald erschallte.
„Wer von euch Mistkerlen hat das gemacht? Wer war das? Wartet, bis ich euch in die Finger kriege!“, schrie Smolek wütend. Der Wein hatte ihm einen Brummschädel beschert, den er in dem kühlen Wasser des Baches abkühlen wollte. Als er an dem Gewässer angelangt war, erblickte er sein bartloses Antlitz auf der glatten Wasseroberfläche. Er traute seinen Augen kaum und rannte schnellen Schrittes zum Lager zurück.
„Wer war das? Ich schlag euch krumm und bucklig!“
„Ich war´s!“, rief Hagen, der Bucklige. „Da brauchst du nicht mehr zu schlagen. Bucklig bin ich schon!“
„Warte nur!“ Smolek stürzte auf Hagen, der ihm geschickt auswich.
„Bist wohl zu langsam? Was?“, neckte Hagen und ließ sich mehrmals durchs Lager jagen, bis Sveti schließlich dem ganzen Einhalt gebot:
„Schluss! Es reicht jetzt! Wenn ihr so weiter macht, wird wirklich noch die ganze Burg auf euch aufmerksam! Die paar Haare wachsen schneller nach, als du sehen kannst und so bist du wenigstens deine Filzläuse los.“
Smolek, der ganz außer Puste war, ließ sich besänftigen.
„Der Lange soll aufbrechen“, befahl Sveti. Dieser richtete die Stoffe auf dem Fuhrwerk, spannte die Pferde ein und brach auf. Als er oben am Burgtor angelangt war, bat er beim Torwächter um Einlass:
„Ich möchte den Herrschaften meine schönen Stoffe feilbieten. Sie werden bestimmt ein paar Ellen gebrauchen können.“
Der Wächter besah sich die Ladung und winkte den Langen durch.
„Stoffe, schöne Stoffe, fein gewebt!“, rief er auf dem Unterhof. Neugierig begutachteten die Mägde die Ladung des Fremden. Johanna, die Hauswirtschafterin, trat aus dem Gesindehaus und begrüßte den Händler.
„Schöne Stoffe hast du. Ich werde den Edelfrauen und Gräfinnen Bescheid sagen, dann können sie auch einen Blick auf deine Waren werfen.“
„Gerne“, der Lange war vom Wagen gestiegen und verneigte sich. Es dauerte nicht lange, bis Mechthild, Irmgard und die anderen Damen auf den Hof traten.
„Oh, welch schöner Stoff!“, rief Irmgard. „Da könnte ich ein schönes Kleid davon nähen.“ Sie ließ einen blauen, feinen Stoff durch ihre Finger gleiten.
„Ja, der hat etwas, aber der Rote ist auch schön.“
„Ich glaube du wirst heute gute Geschäfte machen, Tuchhändler“, meinte Mechthild.
„Ich hoffe es, werte Gräfin!“
Die Damen erwarben einige Ellen Tuch und schickten den Langen in die Küche, um sich etwas zu essen geben zu lassen. Emma reichte ihm Brot, Schinken und Wein.
„Vielen Dank. Zu euch kommen wohl nicht oft Händler?“
„Nein, nur hin und wieder verirrt sich einer hierher.“
„Ich habe gehört, ihr habt hier zwei Grafen.“
„Ja, Konrad und Friedrich.“
„Und die beiden Damen auf dem Hof sind ihre Gattinnen?“
„Ja, Mechthild und Irmgard.“
„Die Jüngere ist die hübscheste Gräfin, die ich je gesehen habe.“
„Ja, wir sind sehr stolz auf unsere Mechthild, obwohl sie auch ein ganz schöner Sturkopf sein kann.“
„Wie meinst du das?“
„Sie lässt sich von niemandem etwas sagen. Ich bin nur froh, dass sie jetzt doch ein wenig auf Konrad hört. Sie ging immer so gerne alleine mit ihrem Sohn in den Wald, doch nun hat sie versprochen, nur noch in Begleitung eines Ritters loszuziehen. Es gibt einfach zu viele Räuber.“
„Da habt ihr recht. Ich bin auf meinen Reisen auch schon vielen Leuten begegnet, die überfallen wurden. Geht sie weit von der Burg weg?“
„Meistens nur Richtung Merburg, aber das reicht schon.“
„Ja, man kann nie vorsichtig genug sein! Ich muss nun sehen, dass ich weiterkomme, vielen Dank für das Mahl.“ Der Lange trank noch einen Schluck Wein, wischte sich mit dem Ärmel den Mund ab und verließ die Küche. Zufrieden stieg er auf den Wagen und lenkte ihn zurück zum Räuberlager.
Kapitel 8
Mechthild streckte und reckte sich. Die ersten Sonnenstrahlen hatten sie geweckt. Es versprach ein herrlicher Tag zu werden. Ihr Blick fiel auf Konrad, der noch tief und fest schlief. Mit einem Lächeln kuschelte sie sich an ihn und dachte an den Abend zuvor, als sie sich geliebt hatten. Vorsichtig strich sie über seine Wange und hauchte einen zarten Kuss auf seinen Mund, ohne ihn zu wecken. Dann rollte sie sich auf die andere Seite, schlug die Decke auf und erhob sich. Sie huschte ins Ankleidezimmer und machte sich frisch. Mechthild strich mit ihren Händen über ihren Bauch. Eine kleine Wölbung war bereits zu erkennen, auch ihr Busen hatte deutlich zugenommen. Heute Abend würde sie es ihm sagen. Sie hatte es schon viel zu lange vor sich hergeschoben. Konrad sollte endlich erfahren, dass er wieder Vater wurde. Es klopfte leise an die Tür. Ihre Zofe Agnes trat ein und half ihr beim Ankleiden.
„Heute wird es ein schöner Tag werden, Herrin.“
„Ja, die Sonne scheint bereits. Arnold möchte bestimmt einen Ausflug machen. Ich werde gleich nach dem Morgenmahl Ritter Hanricus bitten, uns zu begleiten.“
„Das ist eine gute Idee, Herrin. Dass der kleine Ben einen Räuber in die Flucht schlägt, wage ich zu bezweifeln.“
„Ja, Arnold ist so stolz auf ihn. Man könnte meinen, es wäre ein Bär, wenn er von ihm erzählt.“
Agnes band Mechthilds Haare zusammen, machte einen Knicks und zog sich zurück. Mechthild entschied, dass Konrad nun lange genug geschlafen hatte, und weckte ihn.
„Es ist Zeit aufzustehen, Liebster, sonst verschläfst du noch den ganzen Sonnenschein.“ Sie trat ans Bett und küsste ihn.
„Schade, ich dachte schon, du würdest noch einmal zu mir kommen.“
„Hättest du das früher gesagt, bevor ich mich angekleidet habe!“, lächelte Mechthild. „Ich gehe und wecke Arnold. Wir sehen uns beim Morgenmahl.“ Sie warf ihrem Gatten eine Kusshand zu und verließ die Kemenate. Konrad sah ihr bedauernd nach. Als er sich angekleidet hatte, begab er sich zum Rittersaal. Es dauerte nicht lange, bis sich die ganze Familie am Herrentisch eingefunden hatte. Sogar Leni wurde von Agnes hereingeführt.
„Na, hast du gut geschlafen?“, wollte Konrad von ihr wissen.
„Ja, mein Junge“, erwiderte sie. Die Schmerzen in ihren Knochen waren zwar besser geworden, seit sie hier auf der Homburg war, doch manchmal waren sie trotzdem so schlimm, dass sie kaum laufen konnte. Besonders am Morgen fiel es ihr schwer, doch sie wollte Konrad nicht damit belasten. Er war so zuversichtlich gewesen, dass sie hier auf der Burg von allen ihren Gebrechen geheilt wurde. Heute Mittag würde sie ein wenig Mohnsaft trinken, dann würde es erträglicher werden.
Am anderen Ende des Tisches saß Arnold bei den Mädchen und zeigte ihnen, was für Kunststücke Ben schon gelernt hatte. Er hielt ihm ein Stück Schinken hin und ließ ihn Männchen machen.
„Aber Arnold, du sollst ihn nicht hier bei Tisch füttern“, schalt ihn Margareta.
„Das macht doch nichts, Großmutter, er isst doch sowieso immer mit mir.“
„Irgendwann springt er noch auf den Tisch und klaut uns den Schweinebraten.“
„Davon halte ich ihn schon ab, da musst du keine Angst haben.“
Ben bellte kurz auf und wedelte mit dem Schwanz, als wollte er Margareta von seinem guten Benehmen überzeugen.
„Mutter, hättest du Lust, heute mit mir und Ben einen Ausflug zu machen?
Das Wetter ist so schön!“, wandte sich der Junge Mechthild zu.
„Das habe ich mir fast gedacht! Deshalb habe ich schon Ritter Hanricus gefragt, ob er uns begleitet, nur für den Fall, dass Ben nicht alle Räuber in die Flucht schlägt“, meinte diese mit einem Zwinkern.
„Dann können wir nach dem Morgenmahl gleich los?“
„Ja, natürlich, es sei denn, dein Vater hätte etwas dagegen.“
„Geht nur, solange Hanricus mitgeht, ist es in Ordnung. Aber fertig essen könnt ihr schon noch.“
„Willst du nicht auch mitkommen, Katharina?“
„Ja gerne! Als wir zuletzt mit euch an der Merburg waren, das war großartig! Mutter, darf ich?“
„Das geht leider nicht. Wir wollen heute Maß nehmen, damit ich dir von dem Stoff, den ich gestern erstanden habe, ein schönes Kleid nähen kann.“
„Muss das unbedingt heute sein?“
„Aber Katharina! Zur Merburg könnt ihr jeden Tag.“
„Dann musst du mir aber versprechen, dass ich morgen mitdarf.“
„Ja, ich verspreche es dir,“ beschwichtigte Irmgard ihre Tochter.
Arnold löffelte begierig seinen Gerstenbrei und trank einen großen Schluck Wasser. Dann wischte er sich mit dem Ärmel über den Mund, was ihm wieder einen tadelnden Blick von Jutta eintrug und sprang auf.
„So Mutter, lass uns gehen.“
„Geh du nur schon mal mit Ben auf den Hof. Ich hole uns in der Küche Proviant und Hanricus muss zur Waffenkammer, um sein Schwert zu holen. Wir treffen uns am Tor.“
Arnold rannte hinaus und Mechthild aß fertig.
„Der Junge ist ein richtiger Wildfang. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, lässt er sich nicht mehr bremsen. Von wem er das nur hat?“, fragte Irmgard scherzend.
„Keine Ahnung, Schwester - ich sage Hanricus Bescheid, dass er sich fertigmachen soll. Wir sehen uns heute Nachmittag wieder.“ Mechthild gab Konrad einen Abschiedskuss und verließ den Rittersaal.
Nachdem sie ein paar Sachen erledigt hatte, traf sie sich mit Arnold, Ben und Hanricus am Burgtor. Hanricus war ein großer und kräftiger Ritter. Er hatte dunkle, lockige Haare und trug den Bart kurz. Die Rüstung, die er angelegt hatte, war leicht, sodass sie ihn zwar schützte, aber trotzdem noch genügend Bewegungsfreiheit bot. Der Ritter stellte sich auf einen angenehmen Tag ohne große Aufregung ein. Er glaubte nicht, dass sie hier, so nah an der Homburg, jemand überfallen würde.
Sie passierten den Ritterübungsplatz und schlugen den Weg in den Wald ein, der sie zur Merburg führte. Die Sonne schien herrlich und am Wegesrand blühten die ersten Blumen. Überall war Vogelgezwitscher zu hören. Ben schnupperte an jeder Ecke und hob an jedem zweiten Baumstumpf sein Bein, um ihn zu markieren.
„Stell dir vor Mutter, wir würden das auch so machen. Da kämen wir gar nicht vorwärts.“
„Das wäre ja schrecklich! Da können wir froh sein, dass wir keine Hunde sind!“, scherzte Mechthild. Das Frühlingswetter weckte in ihr den Wunsch laut zu singen, doch weil der Ritter dabei war, summte sie nur leise vor sich hin.
Als sie endlich die Ruine der Merburg erreichten, ließen sie sich auf den Mauerresten nieder und Mechthild packte den Proviant aus. Sie schnitt mit ihrem Dolch Brot und Schinken auf und reichte Hanricus davon.
„Siehst du, wie ruhig es hier ist? Nur Vogelgezwitscher ist zu hören und keiner Menschenseele sind wir begegnet.“
„Das stimmt, Herrin, aber trotzdem kann man nie sicher sein, dass nicht doch ein Räuber unterwegs ist.“
Hanricus legte sich entspannt zurück und biss genüsslich von dem Schinken ab. Arnold und Ben sprangen in der Ruine herum. Der Junge ließ den Hund überall schnuppern und erklärte ihm, was das früher einmal gewesen war. Dann führte er ihn an den Weiher. Ben rannte begeistert auf das Ufer zu. Vorsichtig trat er ans Wasser und stillte seinen Durst. Er wedelte mit dem Schwanz. Als eine Ente über das Wasser schwamm, konnte Arnold den Hund kaum davon abhalten, dieser hinterher zu schwimmen.
„He, Ben! Bleib da! Das Wasser ist tief!“, rief er, doch auf einmal schien Ben eine andere Witterung aufgenommen zu haben. Er stellte die Ohren und hielt den Schwanz ganz ruhig. Aus seiner Kehle war ein Knurren zu hören und er starrte wie gebannt auf die Büsche am Uferrand.
„Was ist nur los, Ben? Ist dort jemand?“
Der Hund riss sich los und war kurze Zeit später im Gestrüpp verschwunden. Arnold rannte ihm hinterher.
An der Ruine blickte Hanricus auf. Wohin waren die beiden so plötzlich verschwunden? Er erhob sich, trat an den Weiher und starrte angestrengt zu den Büschen.
„Wo sind die beiden hin?“, fragte Mechthild besorgt und erhob sich ebenfalls. Die Sonne blendete sie, sodass sie die Hand über die Augen halten musste, als sie sich langsam in Hanricus Richtung bewegte. Sie erkannte gerade noch, dass der Ritter sein Schwert aus der Scheide ziehen wollte, als er, von einem Pfeil getroffen, niedersackte.
„Hanricus!“, schrie Mechthild entsetzt. Sie eilte auf ihn zu, doch in nur wenigen Augenblicken war sie von einem Haufen übler Gesellen umringt und alles ging so schnell, dass sie später Mühe hatte, sich an den genauen Ablauf zu erinnern. Jemand gab Hanricus einen Hieb, sodass dieser wohl nicht mehr aufwachen würde, dann stürzten sich zwei der Kerle auf Mechthild, die wie am Spieß nach Arnold schrie. Sie fesselten sie an Händen und Füßen und einer steckte ihr einen Stoffstreifen in den Mund, den er mit einem weiteren Streifen fixierte. Dann trugen sie die Gräfin, die sich immer noch aus Leibeskräften wehrte, zu einem Fuhrwerk, welches nur wenige Schritte entfernt im Gebüsch wartete. Sie legten sie auf die Ladefläche, zwischen mehrere Ballen Stoff, wo bereits Arnold, genauso gefesselt, lag. Ben sprang um die Räuber herum, knurrte und bellte, doch diese ließen sich von dem kleinen Kerl nur wenig beeindrucken. Smolek versetzte ihm einen kräftigen Tritt, der ihn aufjaulen ließ. Geschwind machten sie sich auf den Weg.
Engela musste für ihre Mutter Klara eine Besorgung auf dem Naunhof machen. Normalerweise hätte dies eine Magd erledigt, doch da man heute einen Ochsen geschlachtet hatte, waren alle Mägde bei Emma in der Küche unabkömmlich. Das Burgfräulein ritt auf einer braunen Stute des Weges und hing ihren Gedanken nach, die wie immer Graf Konrad galten. Plötzlich vernahm sie Hufgetrappel. Sie erblickte kurz vor einer Kreuzung eine merkwürdige Gruppe, die aus mehreren Männern zu Pferd und einem Fuhrwerk bestand. Ihr Gefühl sagte ihr, dass es besser wäre, wenn diese sie nicht zu Gesicht bekämen. Sie lenkte ihr Pferd abseits des Weges und wartete hinter einem großen Busch, bis die Männer vorbei waren. Bis auf zwei sahen sie ziemlich verwahrlost aus. Auf dem Fuhrwerk lag ein riesiger Haufen Stoff. Doch was war das? Hatte sich da nicht etwas bewegt? Sah da nicht ein Fuß heraus? Die Männer schlugen den Weg nach Osten ein und trieben ihre Pferde zu großer Eile an.